Manche Menschen sind skeptisch, ob ein bewusst geplanter Sprachwandel wie die hier vorgeschlagene Einführung des Inklusivums überhaupt möglich ist. Auf dieser Seite sollen einige der hier angedeuteten Beispiele für geplanten Sprachwandel näher erläutert werden
Was die bewusste Einführung neuer Pronomen angeht, so lehrt uns die Geschichte eindeutig, dass so etwas möglich ist. So gab es im Ungarischen bis Anfang des 19. Jahrhunderts keine Unterscheidung, die der Unterscheidung zwischen Du und Sie im Deutschen entsprochen hätte. Da ungarische Intellektuelle damals vermehrt mit Sprachen, die diese Unterscheidung hatten, in Kontakt traten, haben die dies als Mangel angesehen, und das neue Pronomen ön (Plural: önök) eingeführt, das sich bald für die höfliche Ansprache entsprechend dem deutschen Sie durchgesetzt hat. Ein jüngeres Beispiel für die bewusste Einführung eines neuen Pronomen ist das Schwedische, wo sich in jüngster Zeit das Wort hen als neues geschlechtsneutrales Pronomen durchsetzen konnte. Erstmals wurde dieses Wort schon 1966 vorgeschlagen, aber bis 2007 blieb der Vorschlag fast unbemerkt. Zwischen 2012 und 2015 kam es allerdings zu einer explosionsartigen Verbreitung dieses neuen Pronomens, das seit 2015 auch in der offiziellen Wortliste der Schwedischen Akademie aufgeführt ist, in vielen Publikationen verwendet wird sowie von einer stetig wachsenden Anzahl von Schweden auch umgangssprachlich gebraucht wird.
Auch beim Pronomen hen wurde anfangs häufig kritisiert, dass sich doch nicht einfach so ein neues Pronomen einführen lasse, und trotzdem war der Vorschlag doch erfolgreich. In den nächsten Absätzen beschreibe ich noch kurz zwei weitere Beispiele von bewusst herbeigeführten sprachlichen Veränderungen, die aufzeigen, dass auch Aspekte der Sprache, die eher der Grammatik als dem Wortschatz zuzuordnen sind, sich aufgrund bewusster Entscheidungen bestimmter Nutzer der Sprache wandeln können.
Im Norwegischen wurden vor 1951 die Zahlwörter ab 21 wie im Deutschen gebildet, also indem man die Einer vor den Zehnern erwähnt: en-og-tyve entsprach wörtlich einundzwanzig. Im Jahr 1951 wurde ein Gesetz verabschiedet, das für den amtlichen und schulischen Gebrauch die in den meisten anderen Sprachen übliche Reihenfolge eingeführt hat, in der die Zehner vor den Einern erwähnt werden: Der neue Begriff tjueen heißt also wörtlich zwanzig-eins, wie im Englischen twenty-one. Über den Schulgebrauch hat sich neue Reihenfolge bei Zahlwörtern im Sprachgebrauch der jüngeren Norweger fest verankert.
Als Griechenland Anfang des 19. Jahrhunderts vom Osmanischen Reich unabhängig wurde, kam die Frage auf, welche Schriftsprache die frisch unabhängig gewordene Nation verwenden soll. Bis dahin war das Altgriechische als Schriftsprache in Gebrauch, während das Volk verschiedene Dialekte sprach, die sich allesamt in vieler Hinsicht vom Altgriechischem unterschieden. Damals kamen zwei konkurrierende Vorschläge auf: Die Katharevousa war eine Mischform zwischen Altgriechisch und modernen Dialekten, während der Dimotiki den Altgriechischen Einfluss ganz aufheben wollte und dabei vor allem auf dem im Laufe des Unabhängigkeitskrieges gebildeten Mischdialekt Athens basierte. Während sich vorerst die Katharevousa in Verwaltung und im Bildungssystem durchsetzen konnte, wurde zwischen Anfang des 20. Jahrhunderts und 1976 mehrmals die Verwaltungs- und Bildungssprache zwischen diesen beiden Sprachformen gewechselt, bevor sich ab 1976 doch noch der Dimotiki durchsetzen konnte. Allerdings ist das jetzt gebräuchliche Neugriechische kein reines Dimotiki, wie es von den Anhängern des Dimotiki im 19. Jahrhundert propagiert wurde, sondern wurde aufgrund der soeben skizzierten Geschichte von der Katharevousa verschiedentlich beeinflusst, auch in der Grammatik und Aussprache. Somit waren die Bemühungen derer, die sich bewusst für eine Beeinflussung des modernen Griechisch durch das Altgriechische eingesetzt hatten, zumindest in kleinen Teilen erfolgreich.