Kurzübersicht der Gründe für das Inklusivum

Immer mehr Leute wollen manchmal oder häufig über andere Personen sprechen, ohne diese einer der beiden traditionellen Geschlechtskategorien zuzuordnen. Dafür gibt es zwei Hauptgründe: Einerseits spielt das Geschlecht in unserer modernen Gesellschaft keine so große Rolle mehr wie früher, so dass es immer mehr Menschen natürlich erscheint, über eine Person zu sprechen, ohne ihr Geschlecht zu erwähnen, genauso wie man über eine Person sprechen kann, ohne ihr Alter, ihre Nationalität oder ihre Haarfarbe preiszugeben. Zusätzlich dazu ist das Bewusstsein darüber gewachsen, dass Geschlecht nicht binär ist, da es auch Personen gibt, die sich als nichtbinär identifizieren, also sich weder eindeutig dem weiblichen noch eindeutig dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen. (Eine etwas ausführlichere Erklärung dieses neuen kommunikativen Bedürfnisses nach geschlechtsneutralen Begriffen gibt es auf der folgenden Seite: Was bringt geschlechtsneutrale Sprache?)

Dieses Bedürfnis nach geschlechtsneutralen Ausdrücken gibt es heutzutage in vielen Ländern, so dass es schon in mehreren Sprachen zur Verbreitung neuer Ausdrucksweisen geführt hat: So findet auf Englisch seit einigen Jahren der Gebrauch von they im Singular immer stärkere Akzeptanz, während sich auf Schwedisch das geschlechtsneutrale Pronomen hen etablieren konnte und auf Spanisch die neue Endung -e auf dem Vormarsch ist. In manchen Sprachen wie Finnisch, Indonesisch, Suaheli und gesprochenem Chinesisch sind schon seit jeher geschlechtsneutrale Begriffe und Pronomen üblich, so dass dort keine sprachliche Innovation notwendig ist, um dieses neue kommunikative Bedürfnis zu erfüllen. (Eine sehr viel ausführlichere Diskussion der Situation in anderen Sprachen gibt es auf der folgenden Seite: Vergleich mit anderen Sprachen.)

Auf Deutsch ist die Situation in vieler Hinsicht schwieriger als in anderen Sprachen wie Englisch, Schwedisch oder Indonesisch. Hier wird erklärt, wieso das traditionelle generische Maskulinum nicht als Lösung für die neuen kommunikativen Bedürfnisse taugt.

Als schriftsprachliche Lösung wird u. a. der Genderstern („Bürger*innen“) praktiziert, aber das löst das Problem nicht in allen Fällen und führt zu einer zusätzlichen Hürde beim Übergang von geschriebener zu gesprochener Sprache. Hier ein Beispiel dafür, wie unpraktisch und schwer aussprechbar der Genderstern schon bei relativ einfachen Sätzen werden kann: „Die*der Gitarrist*in dieser Band ist mein*e beste*r Freund*in.“ Vergleiche dazu denselben Satz im De-e-System: „De Gitarriste dieser Band ist mein beste Freunde.“ (Eine ausführlichere Diskussion zu den Nachteilen des Gendersterns als langfristige Lösung des Problems findet sich auf der folgenden Seite: Wieso nicht beim Genderstern bleiben?)

Als Alternative zum Genderstern sprechen wir uns dafür aus, leicht aussprechbare geschlechtsneutrale Wörter in die deutsche Sprache zu integrieren. Aufgrund der starken Verankerung von geschlechtsbasierten Kategorien in der deutschen Grammatik ist dies nur durch die Schaffung eines neuen Genus (grammatischen Geschlechts) möglich, das wir Inklusivum nennen. Anders als das Maskulinum und das Femininum hat das Inklusivum keinen Bezug zu einem der beiden traditionellen Geschlechter, und anders als das Neutrum erweckt es nicht den Eindruck, dass die genannte Person als Sache dargestellt wird.

Es gibt mehrere Vorschläge dafür, wie die Formen des Inklusivums aussehen könnten, z. B. das De-e-System und das Dey-e-System.

Im De-e-System lautet der inklusivische bestimmten Artikel de (zusätzlich zu der, die, das) und die inklusivischen Substantive werden in der Einzahl durch die Endung -e markiert (z. B. de Bürgere). Außerdem enthält das System den Vorschlag, hen als Pronomen im neuen geschlechtsneutralen Genus zu verwenden, wobei jede Person selber entscheiden kann, ob sie hen oder ein davon abweichendes Pronomen als für sich präferiertes Pronomen verwenden will.

Zur Veranschaulichung des De-e-Systems an Beispielstexten gibt es eine Seite über bekannte nicht-binäre Personen.

Es geht beim Inklusivum nicht darum, bestimmte Sprachformen vorzuschreiben, sondern darum, die deutsche Sprache um neue Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern und dadurch mehr sprachliche Flexibilität zu erschaffen. Die traditionellen geschlechtsspezifischen Ausdrücke wie die Bürgerin und der Bürger können dabei natürlich Teil der Sprache bleiben.

Auf der folgenden Seite wird der Frage nachgegangen, ob sich ein so radikaler Sprachwandel wie die Einführung eines inklusivischen Genus überhaupt durchsetzen kann: Kann sich so etwas überhaupt durchsetzen?

Natürlich gibt es in unserer Welt auch wichtigere Angelegenheiten als geschlechtergerechte Sprache. Hier wird erklärt, wieso diese Thematik trotzdem Beachtung finden sollte.