Auf dieser Seite geben wir eine Übersicht über die aus unserer Sicht wichtigsten Argumente für und gegen die verschiedenen vorgeschlagenen Möglichkeiten, im Inklusivum Ableitungen zu behandeln, die ein Personenwort als Stamm haben.
Die Neoformen, die wir als Alternative für die traditionellen Formen der Ableitungen zur Wahl stellen, ergeben sich aus den vier Endungen, die nach der Umfrage zu den Komposita noch im Rennen sind: ‑(e)rne, ‑(e)rn, ‑(e)rnen und ‑(r)e. In Kombination mit den Ableitungsendungen ‑ei und ‑en würde die erste und die letzte dieser vier Endungen zu einer problematischen Dopplung des e führen (Bäckereei, verarzteen), weshalb wir in der Diskussion beschlossen haben, solche Formen nicht in die Umfrage aufzunehmen.
Allgemeine Argumente
Bei der Bewertung aller Vorschläge sollten folgende Aspekte beachtet werden:
- Im Gegensatz zu Komposita ist es bei Ableitungen noch unüblicher, sie zu gendern, so ist z. B. Ärzt*innenpraxis deutlich häufiger anzutreffen als ärzt*innenlich oder verärzt*innen. Da scheint es bisher kein allzu großes Bedürfnis nach geschlechtsneutralen Formen zu geben. Bei Ableitungen auf ‑schaft ist es noch üblicher, z. B. Ärzt*innenschaft und Freund*innenschaft zu sagen, aber wohl nicht so üblich wie bei Komposita.
- Die Ableitungen sind recht unterschiedlich geartet, sowohl auf der Form- als auch auf der Bedeutungs-Ebene. Daher könnte eine bestimmte Lösung für manche Ableitungen sinnvoll wirken, für andere weniger. Allerdings ist dieser Teil des Systems desto leichter zu erlernen, je einheitlicher die Regeln für die Ableitungen am Ende aussehen. Daher könnte es ratsam sein, Kompromisse bei der Bewertung in Erwägung zu ziehen, um größere Einheitlichkeit zu unterstützen.
- Bei der Umfrage zu den Komposita hat die Endung ‑rne (Schülernevertretung etc.) mit Abstand am besten abgeschnitten, allerdings haben sich auch weitere Formen qualifiziert. Bis auf Weiteres stellen wir aber nur ‑rne in der Übersicht des De-e-Systems vor. Wenn die Option, die Ableitungen unverändert zu lassen, relativ schlecht abschneidet, wäre es für die Einheitlichkeit des Gesamtsystems von Vorteil, wenn das erste Element von Komposita genauso behandelt würde wie der Stamm von Ableitungen.
- Bei Wörtern, die mit Ableitungssuffixen wie -ei und -lich gebildet werden, wird allgemein ein etwaiges e vor dem Suffix getilgt:
Slowake → Slowakei, Geschichte → geschichtlich, Behörde → behördlich
Dasselbe gilt für Verben, die von Substantiven abgeleitet sind: Schule → einschulen. Dieses allgemeine Prinzip kann auch auf Ableitungen angewendet werden, die auf inklusivischen Substantiven mit der Neo-Endung -e basieren, was zu einer alternativen Motivation für die bereits etablierten Formen führt:
Bäckere → Bäckerei, Richtere → richterlich, Freunde → befreunden
Diese alternative Motivation ist allerdings nicht auf Wörter wie Kundschaft anwendbar, da hier die inklusivische Grundform Kundere lautet, sodass bei einer Tilgung des letzten e die Form Kunderschaft statt Kundschaft zu erwarten wäre. - Allgemein können Formen, die mehr Silben enthalten als die bisherigen, als nachteilhaft angesehen werden, insbesondere wenn zwei zusätzliche Silben vorkommen, wie zum Beispiel bei Freunderneschaft.
Im Folgenden gehen wir auf Argumente ein, die bei einzelnen Ableitungssuffixen zusätzlich zu den oben genannten Argumenten zu beachten sind.
Ableitungen auf -ei
Die Formen, bei denen lediglich ein n eingefügt wird (Konditornei), klingen sehr ähnlich wie die jeweilige traditionelle Form und sind nur einen Buchstaben länger. Allerdings ist es daher wahrscheinlicher, dass sie als Rechtschreibfehler interpretiert werden.
Die Formen, bei denen ‹nen› eingefügt wird (Konditornenei) oder ‹ern›/‹ernen› (Tyrannernei/Tyrannernenei), haben weder diese Vorteile noch die Nachteile, allerdings würden einige Menschen sie vielleicht mit den traditionellen Formen gar nicht korrekt assoziieren, da sie so anders aussehen.
Ableitungen auf -lich/-haft
Die Formen mit -e oder -erne vor -lich (z. B. richterelich und richternelich) weichen von dem Prinzip ab, dass vor -lich meistens ein etwaiges e getilgt wird (Geschichte → geschichtlich). Allerdings gibt es mit ehelich bereits ein übliches Wort, bei dem vor -lich ein e steht.
Verben
Es gibt bisher einige Verben, die im Infinitiv auf ‑ern enden (z. B. klettern, füttern, kichern). Somit würden sich die Formen verarztern etc. für viele wahrscheinlich sehr natürlich anfühlen. Außerdem sind sie generell nur einen Buchstaben länger als die bisherige Form (verarzten etc.), was allerdings auch den Nachteil hat, dass es wahrscheinlicher ist, dass sie als Rechtschreibfehler interpretiert werden. Die Silbenzahl würde in der Regel gleichbleiben (außer bei Formen wie verarztere vs. verarzte), was auch dazu führt, dass sie sehr ähnlich klingen würden wie die jeweilige traditionelle Form. Allerdings bleibt die Buchstabenfolge ‹ern›, welche charakteristisch ist für inklusivische Pluralformen, nur in wenigen Verbformen erhalten, anders als bei den Formen auf ‑ernen (z. B. verarzternen).
Ableitungen auf -schaft
Unterscheidung nach Bedeutung
Nur bei denjenigen Ableitungen auf ‑schaft ein Fugenelement vorzuschlagen, die auf eine Gruppe von Menschen verweist (z. B. Schülerschaft) und nicht auf so etwas wie eine Eigenschaft (Freundschaft), wäre für einige wohl recht intuitiv, vor allem wenn dieses Fugenelement wie ein inklusivischer Plural aussieht (‑ern, ‑erne oder ‑ernen).
Allerdings ist es nicht immer eindeutig, ob eine Personengruppe bezeichnet wird (z. B. Nachbarschaft), oder das Wort hat mehrere Bedeutungen (z. B. Zeugenschaft). Dadurch könnte eine derartige Regel bei bestimmten Ableitungen auf ‑schaft zu Problemen führen.
Unterscheidung nach Form
Es könnte naheliegen, nur bei denjenigen Ableitungen auf ‑schaft ein inklusivisches Fugenelement zu verwenden, die auch bisher ein Fugenelement enthalten (z. B. Studentenschaft), da diese eindeutig eine maskuline Form haben. Bei Wörtern wie Freundschaft könnte argumentiert werden, dass sie keine maskuline Form enthalten, sondern nur den Stamm, den maskuline und feminine Form gemeinsam haben. Das trifft besonders auf solche zu, bei denen sogar gar nicht die vollständige maskuline Grundform enthalten ist, sondern das finale e getilgt wurde (z. B. Kundschaft).
Wenn bei anderen Ableitungen die bereits etablierten Formen verwendet werden und dies durch die inklusivische Form und die Tilgung des e motiviert wird (wie im vierten Punkt des Abschnitts „Allgemeine Argumente“ erläutert), liegt es nahe, das bisherige Fugenelement durch die gekürzte inklusivische Pluralendung -ern zu ersetzen, da in diesem Fall bei fast allen Ableitungen einheitlich ein e einer inklusivischen Form getilgt wird: Studenterne → Studenternschaft, analog zu Bäckere → Bäckerei.
Anstatt eines inklusivischen Fugenelements wie ‑ern, ‑erne oder ‑ernen liegt es auch nahe, zu empfehlen, bei Ableitungen wie Studentenschaft das bisherige Fugenelement einfach zu entfernen, sodass die resultierende Form (Studentschaft) genauso wie Freundschaft oder Kundschaft wirkt. Somit wären sie sogar kürzer als die jeweilige traditionelle Form, und viele würden sie wahrscheinlich recht intuitiv finden, da sie nach einem Schema gebildet würden, das bisher ja schon üblich ist (also ‑schaft an den Wortstamm anzuhängen, ohne Fugenelement). Die generelle Regel für Ableitungen könnte dann sehr einfach lauten: „Für das substantivische Element wird immer der Stamm genommen, also die kürzestmögliche Form.“ Allerdings könnten manche denken, dass z. B. Arztschaft nicht eine Gesamtheit von Ärzternen bezeichnet (wie Ärzteschaft es tut), sondern die Eigenschaft, Arzte zu sein. Aber die Gefahr einer Fehlinterpretation gibt es bei Neoformen wohl immer. Ferner könnten einige Menschen finden, dass die männliche Konnotation bei einer Ersetzung von z. B. Ärzteschaft durch Arztschaft gar nicht verringert, sondern womöglich noch verstärkt wird, da die Singularform im allgemeinen Sprachgebrauch häufiger eine eindeutig männliche Bedeutung hat als die Pluralform.