Pro-Contra-Liste: Artikel-Gesamtsysteme (Archivseite)

Wichtiger Hinweis: Dies ist eine Archivseite. Auf dieser Seite wurde während der Diskussion zu den Formen der inklusivischen Artikel im Jahr 2021 der damalige Stand der Diskussion abgebildet.

1. Grundformen

Hier sind Argumente aufgeführt, die spezifisch die einzelnen Grundformen betreffen. In den Fußnoten findest Du Details, die Du ohne großen Informationsverlust überspringen kannst.

1.1. Ein-Paradigma

1.1.1. Grundform „ein“

Diese Grundform suggeriert aufgrund ihrer Endungslosigkeit Neutralität. Auch ist sie um eine Silbe kürzer als die meisten anderen vorgeschlagenen Formen. Sie wird bisher zwar schon im Maskulinum verwendet, aber auch im Neutrum, wodurch die Assoziation mit dem Maskulinum abgeschwächt wird. Diese kann allerdings dennoch auftreten, besonders wenn sich das folgende Substantiv nicht allzu stark von der maskulinen Form unterscheidet.¹

1.1.2. Grundform „einey“

Diese Endung ist primär durch die Assoziation mit „they“ motiviert, welches sich im Englischen rasant als geschlechtsneutrales Singular-Pronomen verbreitet hat. Außerdem weist sie eine größere Nähe zum Femininum auf als zum Maskulinum, was von feministischer Seite positiv bewertet werden könnte. Allerdings stellt sich hier das Problem der Aussprache: Für viele dürfte es klar sein, dass „ey“ wie im englischen „they“ artikuliert werden soll. Einige haben aber möglicherweise Schwierigkeiten, diesen Diphthong zu realisieren, da er bisher kein fester Bestandteil des deutschen Lautinventars ist. Manche könnten „ey“ als „ee“, „i“ oder „ai“ realisieren.² Die meisten dieser Aussprachevarianten wären allerdings unproblematisch.³ Davon abgesehen gibt es noch das Problem, dass „ey“ für einige zu fremd klingen könnte, wodurch es auch schwieriger werden könnte, Menschen aus der gesellschaftlichen Mitte für die Verwendung inklusivischer Formen zu gewinnen.

1.1.3. Grundform „eint“

Diese Grundform ist einsilbig, was sprachökonomische Vorteile mit sich bringt. Dabei ist durch das angefügte „t“ aber nicht die gleiche maskuline Konnotation wie bei „ein“ gegeben.

1.1.4. Grundform „einet“

Das harte „t“ macht diese Grundform klar vom Maskulinum, Femininum und Neutrum unterscheidbar.

1.1.5. Grundform „eine“

Wie „ein“ ist dieses keine Neoform, den Menschen also vertraut. Allerdings ist diese Form, im Gegensatz zu „ein“, eindeutig einem Genus zugeordnet: dem Femininum. Damit könnte sie zwar von feministischer Seite mehr Zuspruch erhalten, von vielen anderen aber als nicht geschlechtsneutral empfunden werden. Außerdem stellt sich das Problem, dass ein folgendes Adjektiv nach den bisherigen Regeln der deutschen Grammatik schwach dekliniert werden müsste, wodurch eine Nominalphrase mit substantiviertem Adjektiv nicht vom Femininum unterscheidbar wäre: „eine Bekannte“. Das ließe sich zwar durch eine gesonderte Adjektivform lösen (z. B. „eine Bekanntey“), was aber die Erlernbarkeit verringert.

1.1.6. Grundform „eins“

Auch diese Grundform hat den Vorteil der Einsilbigkeit. Und wie „ein“ existiert die Form bereits (als Pronomen und als Numeral), ruft aber keine Assoziation mit dem Maskulinum hervor, da es bisher nur im Neutrum vorkommt. Dadurch, dass es bereits ein Pronomen und Numeral ist, könnten viele es in Artikelfunktion allerdings als ungrammatisch empfinden, möglicherweise sogar als albern. Zusätzlich könnte eine Assoziation mit dem Neutrum entstehen, wodurch es versächlichend oder sogar entmündigend wirkt.

1.2. Definites Paradigma

1.2.1. Grundform „de“

Diese Grundform liegt phonologisch sehr neutral zwischen „die“, „der“ und „das“ und ist eindeutig von allen dreien unterscheidbar. Auch erinnert sie an das englische geschlechtsneutrale „the“. Das Wort ist sehr leicht und unaufwändig auszusprechen.

1.2.2. Grundform „dey“

Da der Diphthong „ey“ im Deutschen bisher kaum vorkommt, hat er auch keine negativen Konnotationen oder ruft Assoziationen mit einer existierenden Form hervor. Allerdings ist er für einige auch schwieriger auszusprechen und hat einen fremdartigen Klang. Außerdem könnte die Grundform im Sprechfluss selbst bei korrekter Aussprache wie „die“ klingen.

1.2.3. Grundform „det“

Die Form „det“ zeichnet sich vor allem durch ihre eindeutige Unterscheidbarkeit von den anderen Grundformen aus. Durch die Nähe zum dialektischen „dat“ geht damit für einige allerdings wahrscheinlich eine Assoziation mit dem Neutrum einher, die negativ empfunden werden könnte.

1.3. Jed-Paradigma

1.3.1. Grundform „jed“

Die Endungslosigkeit könnte genau wie bei „ein“ als besonders geschlechtsneutral empfunden werden. Der Unterschied ist nur, dass „ein“ bereits im Maskulinum und Neutrum existiert. Im jed-Paradigma gibt es keine endungslose Grundform, die schon maskulin belegt wäre, „dies“ kommt allerdings bereits im Neutrum vor. Die anderen endungslosen Grundformen sind entweder in allen Genera vertreten (z. B. „welch“) oder existieren gar nicht (z. B. „jed“). Ein Nachteil ist allerdings, dass es für viele wahrscheinlich unintuitiv wäre, eine endungslose Form als Pronomen zu verwenden. Dort müsste also wie bei „ein“ eine Ausweichform gefunden werden. Genauso für die starken Adjektive, deren Deklination bisher überwiegend mit der des jed-Paradigmas übereinstimmt: Mit einem endungslosen Adjektiv wären Sätze wie „Als Abgeordnet reise ich viel.“ für die meisten eher unintuitiv.

1.3.2. Grundform „jedey“

s. 1.1.2. Grundform „einey“

1.3.3. Grundform „jedet“

Das harte „t“ macht diese Grundform klar vom Maskulinum, Femininum und Neutrum unterscheidbar. Allerdings käme bei einigen wohl wie bei „det“ eine Assoziation mit dem Neutrum auf.

1.3.4. Grundform „jede“

s. 1.1.5. Grundform „eine“

2. Gesamtsysteme

Hier sind Argumente aufgeführt, die sich auf die Kombination der Grundformen beziehen.

2.1. Grundform „ein“

2.1.1. System „ein/de/jed“

Sowohl „ein“ als auch „jed“ sind endungslos, und auch „de“ kommt der Endungslosigkeit am nächsten. Dadurch wirkt diese Kombination besonders einheitlich.

2.1.2. System „ein/de/jedey“

Diese Kombination wirkt zuerst recht uneinheitlich, da jede Grundform eine andere Endung erhält. Die Motivation dahinter liegt darin, dass die Endung der Grundform des jed-Paradigmas auf stark deklinierte Adjektive und artikelbasierte Pronomen wie „einey“ statt „einer/eine/eines“ übertragen werden kann, was mit der Grundform „jed“ kaum funktioniert. Dass „ein“ endungslos ist, während im jed-Paradigma die starke Adjektivendung verwendet wird, ist auch schon im Maskulinum und Neutrum so, sodass dies gut zum deutschen Sprachsystem passt.

2.1.3. System „ein/de/jedet“

Zusätzlich zu den Argumenten bzgl. des vorigen Systems ist hier durch die Grundform „jedet“ eine besondere Nähe zum Neutrum zu erkennen, was die Kombination einerseits vertrauter wirken lässt, andererseits mögliche negative Assoziationen mit sich bringt.

2.1.4. System „ein/dey/jedey“

Um die Einheitlichkeit unter den Grundformen zu erhöhen, übernimmt hier der bestimmte Artikel die Endung des jed-Paradigmas, was bisher auch im Maskulinum und Neutrum passiert.

2.1.5. System „ein/det/jedet“

Genauso wie bei „ein/de/jedet“ ist dieses System stark am Neutrum orientiert. Durch die Grundform „det“ ist die Nähe zum Neutrum sogar noch stärker, was allerdings auch die negativen Assoziation mit dem Neutrum verstärken könnte.

2.2. Grundform „einey“

2.2.1. System „einey/de/jedey“

Um die Nachteile der endungslosen Grundform „ein“ loszuwerden, wird hier die Grundform „einey“ verwendet. Passend dazu die Form „jedey“ im jed-Paradigma.

2.2.2. System „einey/dey/jedey“

Noch einheitlicher ist dieses System, wo die Grundform jedes Paradigmas die gleiche Endung erhält. Dadurch würde der fremde Diphthong „ey“ allerdings bedeutend häufiger auftreten, da der bestimmte Artikel der meistbenutzte im Deutschen ist.

2.3. Grundform „eint“

2.3.1. System „eint/de/jed“

Hier liegt der Vorteil darin, dass sowohl die Form des ein- als auch die des jed-Paradigmas einsilbig ist, während die Nachteile der Grundform „ein“ wegfallen.

2.3.2. System „eint/de/jedet“

In diesem System besteht wieder eine Nähe zum Neutrum, nur dass ausschließlich Neoformen verwendet werden.

2.3.3. System „eint/det/jedet“

Zusätzlich zu den Argumenten bzgl. des vorigen Systems gibt es hier den Vorteil, dass die Grundform in allen drei Paradigmen auf „-t“ endet, was einheitlicher wirkt, was andererseits aber auch die negativen Assoziationen mit dem Neutrum verstärken könnte.

2.4. Grundform „einet“

2.4.1. System „einet/de/jedet“

Die Endung „-et“ erinnert zwar ans Neutrum, ist aber eindeutig von diesem unterscheidbar (zumindest im Hochdeutschen).

2.4.2. System „einet/det/jedet“

Zusätzlich zu den Argumenten bzgl. des vorigen Systems gibt es hier den Vorteil, dass die Grundform in allen drei Paradigmen auf „-et“ endet. Andererseits könnten dadurch auch negative Assoziationen mit dem Neutrum verstärkt werden.

2.5. Sonstige Grundformen

2.5.1. System „eine/de/jede“

Da hier alle Formen auf „-e“ enden, wirkt dieses System sehr einheitlich. Wird dieses Artikelsystem mit dem Substantivsystem gepaart, in dem die Substantive ein „-e“ erhalten, würde das Gesamtsystem sehr einheitlich von der Endung „-e“ Gebrauch machen, was die Erlernbarkeit erhöht.

2.5.2. System „eins/de/jed“

Hier ist die Grundform sowohl des ein- als auch des jed-Paradigmas einsilbig, während im ein-Paradigma zwar eine existierende Form verwendet wird, die Nachteile der Grundform „ein“ allerdings wegfallen.


Fußnoten

1    Ein weiterer Nachteil der Grundform „ein“ ist, dass auf sie bisher im Maskulinum und Neutrum die starke Adjektiv-Endung „er“ bzw. „es“ folgt: „ein netter Schüler“, „ein nettes Kind“. Es müsste also entweder gelernt werden, nach dem inklusivischen „ein“ die starke inklusivische Adjektiv-Form zu verwenden, oder es müsste wie im Femininum die schwache Form auf „e“ verwendet werden: „eine nette Schülerin“ vs. „ein nette Schülere“. Beides könnte das System weniger leicht erlernbar machen. Weiterhin wäre es für viele wahrscheinlich unintuitiv, die endungslose Form „ein als Pronomen zu verwenden, weshalb dafür eine andere Form verwendet werden müsste, was zwar im Maskulinum und Neutrum bereits der Fall ist („ein vs. „einer“ bzw. „eines“), das Erlernen aber dennoch erschweren könnte, da in einigen Fällen vielleicht nicht auf den ersten Blick klar ist, ob im Satzkontext ein Artikel oder ein Pronomen verwendet werden muss. Auch erwähnenswert, aber weniger signifikant ist das Problem, dass bei Kombinationen aus „ein“ und einem Namen (wie in „Vorhin hat ein Kim angerufen.“) meist angenommen würde, dass die Person männlich ist.

2    Der Diphthong wird in Fremdwörtern wie „E-Mail“ häufig als „ee“ (wie in „Kaffee“) artikuliert. Die Aussprache „i“ (wie in „Handy“) wäre eine reduzierte Variante des Diphthongs. Auch die Ausspracheweise „ai“ (wie in „Hühnerei“) könnte für einige die erste Wahl sein, da „ey“ in einigen Eigennamen so ausgesprochen wird (z. B. „Meyer“). Und selbst wenn „ey“ korrekt artikuliert wird, könnte die Aussprache in der unbetonten Silbe für viele dennoch zu aufwändig sein, wodurch es bei häufigem Gebrauch zu „e“ oder „i“ verschliffen werden könnte.

3    Es bestünde dann nur das Problem, dass Menschen, die es bisher nur in gesprochener Form mitbekommen haben, die Form eher nicht als „einey“ verschriftlichen würden, sondern bspw. als „einei“ oder „eine“.

4    Zumindest so lange nicht, wie das „t“ auch heraushörbar ist, was vor allem schwieriger zu realisieren ist, wenn das folgende Wort mit „t“ beginnt: „eint Therapeute“. Die Grundform „eint“ erinnert auch an das deutsche Indefinitpronomen „eins“, ist aber deutlich von diesem unterscheidbar, sodass einige seiner Nachteile neutralisiert werden (s. unten).

5    Wenn der unbestimmte Artikel allerdings umgangssprachlich verkürzt wird, wie es bereits mit existierenden Artikeln in Sätzen wie „Ich hab ’ne Schwester in Deinem Alter“ getan wird, klingt das daraus resultierende „’net“ wie eine dialektische Variante von „nicht“, was mindestens zu Verwirrung und schlimmstenfalls zu Mehrdeutigkeit führen könnte.

6    Auch hier kann es bei der Kombination von „eine“ und einem Namen zu Missverständnissen führen (z. B. „Vorhin hat eine Kim angerufen.“).

7    Das „e“ kann bei einem folgenden Wort sogar manchmal so weit reduziert werden, dass der Artikel mit der nächsten Silbe verschmilzt: „de Lehrere“ —> „dlehrere“. Das kann allerdings auch zur Folge haben, dass manche ihn nicht als Artikel verstehen.