Pro-Contra-Liste: Kurz- und Langformen von Substantiven

Auf dieser Seite geben wir eine Übersicht über die aus unserer Sicht wichtigsten Argumente für und gegen die verschiedenen Kurz- und Langformen mit dem Morphem {‑e(re)} ein, die in dieser Umfrage zur Bewertung stehen. In den Fußnoten findest Du Details, die Du ohne großen Informationsverlust überspringen kannst.

Wir betrachten dabei vier große Substantivgruppen, welche jeweils an den maskulinen Grund- und Pluralformen orientiert sind:

  • Schüler-Gruppe: letzte Silbe unbetont und endet auf ‑er (z. B. Schüler, Lehrer, Arbeiter, Australier)¹
  • Freund-Gruppe: endet im Singular auf einen Konsonanten und erhält im Plural ein ‑e, ohne dass der Stammvokal umgelautet wird (z. B. Freund, Pionier, Friseur, Millionär)
  • Student-Gruppe: endet im Singular auf einen Konsonanten und erhält im Plural entweder ein ‑en (z. B. Student, Gitarrist), ein ‑n (z. B. Nachbar, Ungar) oder ein ‑e, während der Stammvokal umgelautet wird (z. B. Koch, Arzt, Anwalt)
  • Kunde-Gruppe: endet im Singular auf ‑e (z. B. Kunde, Kollege, Psychologe, Schotte)

Allgemein

Die Langform ist allgemein mindestens eine Silbe länger als die maskuline Grundform (im Falle der Schüler- und der Kunde-Gruppe), höchstens zwei (im Falle der Freund- und der Student-Gruppe). Zusammensetzungen können dadurch besonders schwerfällig wirken (z. B. Studenterezeitung, Bürgeremeistere). Dafür führt sie generell weniger zu Verwechslungen und Verwirrungen.

Die Kurzform hingegen ist zwar ökonomischer, aber häufig mit einer existierenden Form verwechselbar. Auch kann es vorkommen, dass es zu wenige Anhaltspunkte gibt, um das Wort zu identifizieren (z. B. Dän, Schuste). Das wird durch den Kontext oft, nur eben nicht immer kompensiert.

Zwei Formen im System vorzusehen, könnte den Vorteil haben, dass je nach Kontext die Form genommen werden kann, die am wenigsten Probleme macht. Wenn außerdem manche Menschen die Kurz- und andere die Langform präferieren, könnten sich mehr mit einem solchen System anfreunden als mit einem, das nur eine Form vorsieht.² Eine Kehrseite davon könnte allerdings sein, dass die Uneinheitlichkeiten zu Unsicherheiten führen.³ Es ist auch denkbar, dass sich im Sprachgebrauch langfristig nur eine Form etabliert, selbst wenn wir anfangs zwei vorschlagen. Die Langform könnte besonders in der Gewöhnungsphase hilfreich sein, damit das neue System zu weniger Verwirrung und Missverständnissen führt. Mit der Zeit könnte sich dann die Kurzform gegen die Langform durchsetzen, wenn die Menschen in bestimmten sprachlichen Kontexten eine inklusivische Form erwarten.

Wenn die Substantive nur eine Variante hätten, wären sie zwar einheitlicher, würden dafür aber häufiger anecken und es würde vielleicht öfter zu Unsicherheiten führen, ob eine bestimmte Form erlaubt ist oder nicht.

Schüler-Gruppe

Die Langform (z. B. Schülere) ist eindeutig von der maskulinen Grundform unterscheidbar. Außerdem kann eine Person sich leichter korrigieren, wenn sie mit der maskulinen Form angefangen hat, aber dann schnell entscheidet, die inklusivische Variante verwenden zu wollen (z. B. „ein Schüler…e von mir“). Allerdings könnte es manche stören, dass die inklusivische Form hier die ganze maskuline Form enthält und nur einen Buchstaben anhängt (wobei dies allerdings auch bei den entsprechenden weiblichen Substantiven wie Schülerin und Lehrerin der Fall ist).

Die Kurzform (z. B. Schüle) hat den Vorteil, genauso viele Silben wie die maskuline Form zu haben. Im Sprechfluss kann sie aber leicht mit dieser verwechselt werden. Außerdem lautet die Kurzform häufig genauso wie eine Verbform (z. B. Arbeite, Fahre), in manchen Fällen zusätzlich wie ein bereits existierendes Substantiv (z. B. Lehre, Miete). Ferner ist bei Substantiven, die im Maskulinum auf -ier enden, die Aussprache der inklusivischen Kurzform unklar (z. B. Australie). Und die spontane Korrektur wie bei der Langform ist nicht wirklich möglich, wenn die letzte Silbe schon gesprochen wurde.

Freund-Gruppe

Die Langform (z. B. Freundere) ist ganze zwei Silben länger als die maskuline Grundform, dafür aber eindeutig von dieser unterscheidbar, und vor allen Dingen vom maskulinen Plural.

Die Kurzform (z. B. Freunde) ist mit der maskulinen Pluralform identisch, was vor allem dann zu Verwirrung führen könnte, wenn kein Artikel zugegen ist (z. B. „Als Freunde helfe ich dir gern.“).

Student-Gruppe

Die Langform (z. B. Studentere) ist zwei Silben länger als die maskuline Grundform, anders als die bei der Freund-Gruppe hilft das aber nicht dabei, die Form von einer existierenden zu unterscheiden.

Die Kurzform (z. B. Studente) ist nur eine Silbe länger als die maskuline Grundform und eindeutig von ihr unterscheidbar.

Kunde-Gruppe

Die Langform (z. B. Kundere) ist eine Silbe länger als die maskuline Grundform und gut von dieser unterscheidbar.

Die Kurzform (z. B. Kund) ist in diesem Fall eine Silber kürzer als die maskuline Form. Da sie anders als alle anderen inklusivischen Substantive nicht auf -e endet und wie eine umgangssprachliche, dialektale oder poetische Kürzung der maskulinen Form wirken könnte, würden viele sie wahrscheinlich als männlich konnotiert wahrnehmen. Wenn außerdem die resultierende Form nur eine Silbe hat, könnte es zu Verwirrung führen, da es zu wenige Anhaltspunkte geben könnte, um das Wort zu identifizieren (z. B. Kund, Schott) – zumal in einigen Fällen sogar eine Überschneidung mit einem existierenden Wort auftritt (z. B. Schott, Finn, Pol). Es könnte daher sinnvoll sein, zwar beide Formen zu erlauben, die Kurzform aber nur dann zu empfehlen, wenn sie mehrsilbig ist.


Fußnoten

1     Die Substantive der Schüler-Gruppe machen übrigens ungefähr die Hälfte der regelmäßig movierbaren Personensubstantive aus.

2     Ferner wäre die Wahrscheinlichkeit größer, dass selbst eine Person, die sich nicht so ausführlich mit dem System auseinandergesetzt hat, eine existierende Form verwendet.

3     Es könnte auch dazu kommen, dass der einen der beiden Formen ein spezifischerer Zweck zugeordnet wird, z. B. dass die Langform eher für nichtbinäre Personen verwendet wird und die Kurzform als allgemeine geschlechtsneutrale Variante. Das wäre allerdings nicht unbedingt ein Problem.

4     Bei Kolleg scheint uns die Überschneidung mit dem existierenden Wort weniger problematisch als bei den einsilbigen Wörtern, da nicht nur der Kontext, sondern auch der längere Wortstamm meist genug Anhaltspunkte geben wird, um die Form korrekt einzuordnen.