Pro-Contra-Liste: Substantivsysteme

Auf dieser Seite geben wir eine Übersicht über die aus unserer Sicht wichtigsten Argumente für und gegen die verschiedenen Vorschläge für geschlechtsneutrale Substantiv-Endungen im Singular und Plural. In den Fußnoten findest Du Details, die Du ohne großen Informationsverlust überspringen kannst.

Singular-Endung „(r)e“

Der Vorschlag, die Endung „-e“ für die Singularform der geschlechtsneutralen Substantive zu verwenden, ist dadurch motiviert, dass „-e“ eine häufige Wortendung im Deutschen ist, sodass die resultierenden Formen (z. B. „de Schülere“, „de Studente“) relativ natürlich klingen. Bei den meisten Substantiven führt das Anhängen von „-e“ zu einer eindeutig von existierenden Wörtern unterscheidbaren Form, die weder zu starke Assoziationen mit der maskulinen Form noch mit der femininen Form hervorruft. Ein Problem dieser Endung ist, dass gesondert gelernt werden muss, dass bei Substantiven wie „Kunde“, bei denen die maskuline Grundform bereits auf „-e“ endet, „-re“ statt „-e“ an diese Grundform angehängt wird.

e/erne/ernen-System

Pluralformen wie „Schülerne“, „Studenterne“ und „Kunderne“ liegen mehr oder weniger zwischen der maskulinen und der femininen Pluralform, unterscheiden sich aber gleichzeitig eindeutig von beiden. Sie könnten daher als natürlich wirkende Kompromissform zwischen den existierenden formen angesehen werden.¹ Ein Nachteil ist, dass „-erne“ als Pluralform zu „-e“ keinem der existierenden Pluralbildungs-Schemata der deutschen Sprache entspricht.²

e/es/es-System

Diese Pluralbildung existiert bereits im Deutschen, allerdings normalerweise nicht bei Substantiven, die auf ein unbetontes „e“ (Schwa) enden, wodurch es unnatürlich wirken könnte.³

e/e/en-System

Ein Vorteil dieses Systems ist, dass keine zusätzliche Form für den Plural gelernt werden muss (wobei fraglich ist, wie sehr das tatsächlich die Erlernbarkeit des Systems unterstützt). Zwar gibt es bereits Substantive, bei denen der Plural wie der Singular lautet („Schüler“, „Kuchen“), allerdings keine, die im Singular auf ein unbetontes „e“ (Schwa) enden, wodurch diese Pluralbildung als unintuitiv empfunden werden könnte. Außerdem muss in der Freunde-Gruppe immer die Langform („Freundere“) genommen werden, da die Kurzform mit dem maskulinen Plural identisch ist („Freunde“). Der Plural wird nur noch am Artikel vom Singular unterschieden („die Schülere“ vs. „de Schülere“), was aufgrund der klanglichen Nähe zwischen „die“ und „de“ zu Missverständnissen führen könnte. Ein weiteres Problem ist, dass bei Wörtern wie „Studente“ die Dativ-Plural-Form mit der maskulinen identisch ist („den Studenten“).

ern/erne/ernen-System

Im Gegensatz zum e/erne/ernen-System hat das ern/erne/ernen-System den Vorteil, dass der Plural auf „-erne“ in diesem System durch Anwendung eines existierenden Pluralbildungs-Schemata gebildet wird.

Die Singular-Endung „-ern“ hat den Vorteil, dass sie bei den relativ vielen Substantiven, deren maskuline Grundform auf „-er“ endet, zu einer Form führt, die vom Schriftbild her genau zwischen der maskulinen und der femininen Form liegt, z. B. „de Schülern“ als Zwischenform zwischen „der Schüler“ und „die Schülerin“. Allerdings ist lautlich „Schülern“ näher an „Schüler“ als an „Schülerin“. Ein zusätzlicher Nachteil besteht darin, dass „Schülern“ mit der maskulinen Dativ-Plural-Form identisch ist, was zu Verwirrungen führen könnte.

ens/ense/ensen-System

Die Endung „-ens“ wurde Anfang 2021 in einem Buch von Lann Hornscheidt und Ja’n Sammla vorgeschlagen und hat dadurch schon eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. In dem Buch wurde „-ens“ dadurch motiviert, dass diese Buchstabenfolge im Wort „Mensch“ vorkommt. Ein Problem bei der Endung „-ens“ ist, dass Wörter wie „Schwimmens“ für den Genitiv des Infinitivs gehalten werden könnten (wie in „die Kompetitivität des Schwimmens“ vs. „die Kompetitivität ders Schwimmens”), sodass diese Form zu Verwirrungen führen könnte.

is/is/is-System

Der Singular dieses Systems ist an die feminine Endung „-is“ angelehnt. Ein Problem der Pluralform mit der Endung „-is“ ist, dass jemand, de diese Pluralform schriftlich kennenlernt, ohne vorher die Singularform gesehen zu haben, z. B. über ein Substantiv wie „die Autoris“, meinen könnte, dass „die Autoris“ der Plural von „de Autori“ ist und daher mit einem langen „i“ ausgesprochen werden soll. Denn es gibt auch schon den Vorschlag, die geschlechtsneutralen Substantive durch die Endung „-i“ zu bilden (dieser Vorschlag hat schon eine gewisse Bekanntheit erlangt, hat sich in unserem Konsensfindungsprozess aber bereits disqualifiziert). Da davon auszugehen ist, dass die geschlechtsneutralen Formen anfangs besonders häufig im Plural verwendet werden, könnte dies ein gewichtiges Problem sein.

Markierung von Genitiv Singular bei Grundformen auf „-e“

Da im Maskulinum und Neutrum der Genitiv meist durch die Endung „-s“ am Substantiv markiert wird, könnte es für einige intuitiv sein, diese Endung auch im Inklusivum zu verwenden, insbesondere da der inklusivische Genitiv-Artikel „ders“ auch auf„s“ endet. Andererseits ist der Klang von „ders Lehreres“ sehr nah am maskulinen „des Lehrers“. Wenn wie im Femininum der Genitiv nicht am Substantiv markiert wird, gibt es eher ein Gleichgewicht zwischen weiblicher und männlicher Assoziation: „ders Lehrere“.


Fußnoten

1     Des Weiteren kann die Endung „-erne“ dadurch motiviert werden, dass es diese Plural-Endung bereits im Dänischen gibt.

2     Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass die Verwendung der Pluralendung „-erne“ bei verschiedenen Substantivgruppen zwar oberflächlich recht einheitlich aussieht, der Plural jedoch strukturell in jeder Substantivgruppe leicht anders gebildet wird (z. B. „Schülere“ zu „Schülerne“, aber „Studente“ zu „Studenterne“).

3     Ausnahmen, die wir gefunden haben: „Piefke“, „Fatzke“ und „Raffke“, alle drei umgangssprachlich und abwertend.

4     Im Gegensatz zum e-erne-ernen-System wird im e-es-es-System der Plural immer gleich gebildet, nämlich durch Anhängen der Endung „-s“ an die Singularform.

5     Der Vorschlag in diesem Buch ist es, die Endung unverändert auch im Plural zu verwenden, aber bei der Substantiv-Umfrage letztes Jahr war der Vorschlag beliebter, im Plural ein „-e“ anzuhängen.