Pronomen

Hinweis: Auf dieser Seite geht es um das Personalpronomen, also um geschlechtsneutrale Alternativen zu er/sein/ihm/ihn und sie/ihr/ihr/sie; andere Pronomen wie Relativ- oder Indefinitpronomen werden teils auf den drei Systemseiten behandelt (Kurzübersicht, detailliert und Tabellen), teils auf der Seite Neologismen.

Wir respektieren und unterstützen es, dass jede Person selbst entscheiden kann, welches Pronomen für sie verwendet werden soll. Das soll sich durch unseren Vorschlag nicht ändern. Es gibt bei vielen aber auch den Wunsch, dass sich ein geschlechtsneutrales Pronomen im Sprachgebrauch so weit etabliert, dass es jede Person für sich auswählen kann, ohne ständig erklären zu müssen, wie es funktioniert – ähnlich wie beim singular they im Englischen. Ein solches allgemeines geschlechtsneutrales Pronomen wäre noch für weitere Verwendungskontexte nützlich:

  • um über eine unspezifische Person beliebigen Geschlechts zu sprechen
  • wenn es um eine spezifische Person geht, deren Geschlecht bzw. Pronomen unbekannt ist
  • wenn über eine Person gesprochen wird, deren Geschlecht im Kontext irrelevant ist oder geheim gehalten werden soll
  • bei Übersetzungen ins Deutsche (z. B. bei einem Artikel über eine Person , die in ihrer Eltersprache geschlechtsneutrale Pronomen verwendet; bei fiktionalen nichtbinären Charakteren)

Unser Vorschlag: en

In dem von uns vorgeschlagenen De-e-System lautet die Grundform des allgemeinen geschlechtsneutralen Pronomens en. Wir empfehlen, en so auszusprechen, dass es sich auf wenn reimt und nicht auf zehn.

Die Grundform en für ein deutschsprachiges geschlechtsneutrales Pronomen wurde 2018 auf dem österreichischen LGBTIQA+-Kongress in St. Pölten entwickelt. Begründet wurde die Form damit, dass sie wie die existierenden Pronomen es und er nach dem Schema „e+Konsonant“ aufgebaut ist und wie das bereits relativ bekannte Pronomen hen auslautet. Das n ist der häufigste Konsonant in der deutschen Sprache, und die Kombination en kommt in unzähligen Wort-Endungen vor, wodurch diese Grundform für Deutschsprachige sehr leicht aussprechbar ist.

Deklination:

Wer?en
Wessen?ens
Wem?em
Wen?en

Hinweis: Bei den unten besprochenen Alternativvorschlägen stellen wir die vier Formen nicht in einer Tabelle dar, sondern durch Schrägstriche getrennt. Die Deklination von „en“ lautet in dieser Notation en/ens/em/en.

Beispieltext für die Deklination:

En hat ens Buch auf ensem Tisch vergessen, kannst du es em bringen? Ich habe en heute als etwas zerstreut erlebt.

Im von uns angeleiteten kollektiven Entscheidungsfindungsprozess mit Diskussionen und Umfragen hat sich en zusammen mit dieser Deklination durchgesetzt.

Possessivform ens

Die Possessivform wird ähnlich wie Eigennamen im Genitiv gebildet, indem ein s an die Grundform angehängt wird: Kims Auto, Kims Jacke, an Kims Geburtstag. Allerdings empfehlen wir, bei ens im Gegensatz zu Eigennamen Endungen wie bei den anderen Possessiv-Artikeln anzuhängen: ens Auto, ense Jacke, an ensem Geburtstag (vgl. ihr Auto, ihre Jacke, an ihrem Geburtstag). Ein Grund dafür ist, dass Genitivkonstrukte mit einer endungslosen Possessivform missverstanden werden könnten. Ein Beispiel: „Macht das Essen ens Mutter glücklich?“ Wenn die Possessivform ens endungslos verwendet würde, wäre in diesem Satz nicht eindeutig, ob gefragt wird, ob die Mutter vom Essen glücklich wird oder ob das Essen der Mutter andere glücklich macht. Wenn ens hingegen auf dieselbe Art Endungen erhält wie andere Possessiv-Artikel, wird dieses Problem vermieden: Bei „Macht das Essen enser Mutter glücklich?“ ist analog zu „Macht das Essen seiner Mutter glücklich?“ eindeutig, dass danach gefragt wird, ob das Essen der Mutter andere glücklich macht. Und wenn der Satz lautet „Macht das Essen ense Mutter glücklich?“, ist unmissverständlich gemeint, ob es die Mutter ist, die vom Essen glücklich wird.

Im kollektiven Entscheidungsprozess für die Formen des allgemeinen geschlechtsneutralen Pronomens gab es dazu Anfang 2022 eine Diskussion, bei der diese Gründe für die Verwendung von Deklinationsendungen bei Possessivformen thematisiert wurden. In einer Abstimmung nach dieser Diskussion hat sich der Vorschlag durchgesetzt, die Possessivform mit Deklinationsendung zu verwenden.

Alternative Vorschläge

In diesem Abschnitt stellen wir die bekanntesten alternativen Vorschläge für die Grundform und Deklination eines geschlechtsneutralen Personalpronomens vor. Wir erwähnen alle Vorschläge, die unseres Wissens entweder schon von vielen nichtbinären Deutschsprachigen für sich verwendet werden oder im öffentlichen Diskurs relativ viel Beachtung gefunden haben, sowie alle Vorschläge, die in dem von uns angeleiteten kollektiven Entscheidungsprozess besonders beliebt waren.

hen

Das Pronomen hen wurde aus dem Schwedischen übernommen, wo es seit einigen Jahren immer größere Verbreitung findet (mehr Details dazu hier). Zudem ist die Form über das Finnische motivierbar, wo es keine grammatischen Geschlechter gibt und hän das allgemeine Pronomen für Personen beliebigen ist. Auch im Niederländischen steigt der Gebrauch von hen als geschlechtsneutralem Pronomen an.

Im deutschsprachigen Raum hat sich hen schon seit einigen Jahren unter nichtbinären Personen immer mehr verbreitet. Dabei wird das e meist kurz gesprochen, genau wie in unserem Vorschlag en, sodass es sich auf wenn reimt. Laut unserer zweiten öffentlichen Umfrage ist die beliebteste Deklination dabei hen/hens/hem/hen. Ein Teil derer, die hen als Pronomen für sich verwenden, lassen es im Dativ undekliniert, verwenden also das Pronomensystem hen/hens/hen/hen.

Das Pronomensystem hen/hens/hem/hen war neben en/ens/em/en in unserem kollektiven Entscheidungsprozess am längsten im Rennen geblieben. Am Ende hat sich en/ens/em/en in der zweiten öffentlichen Umfrage gegenüber hen/hens/hem/hen durchgesetzt, wobei es in dieser Umfrage nur einen kleinen Unterschied in der Beliebtheit dieser beiden Vorschläge gegeben hat.

Ein Vorteil von hen/hens/hem/hen gegenüber en/ens/em/en ist, dass es im Dativ und Akkusativ nicht so leicht zu einer klanglichen Verwechslung mit den maskulinen Formen ihm und ihn kommen kann. Nachteile sind, dass sich hen nicht so gut wie en über die Ähnlichkeit zu existierenden Pronomen motivieren lässt (siehe Erläuterung zu en oben) und dass manche Personen bei hen negative Assoziationen mit dem englischen Wort für Henne haben.

Manche Leute verwenden die Possessivform hens allgemein endungslos (z. B. hens Jacke statt hense Jacke), analog zu der Genitivform eines Namens und nicht zu den anderen Possessivartikeln (siehe auch die Erläuterungen zu dieser Thematik im Abschnitt „Possessivform ens“ oben).

dey und they

In unserer zweiten öffentlichen Umfrage im Oktober 2022 haben wir unter anderem nach dem eigenen Pronomen der Teilnehmerne gefragt. Von den 167, die ein Neopronomen verwenden, gaben die meisten (62) an, dass dey ihr gewähltes Pronomen ist.

Bei dieser Form handelt es sich um eine Eindeutschung des im Englischen üblichen singular they. Die beliebteste Deklination ist laut der genannten Umfrage dey/deren/denen/dey. In Analogie zur Deklination von they im Englischen verwenden manche auch dey/deren/demm/demm oder dey/deren/dem/dem, wobei im letzteren Fall die intendierte Aussprache meist auch mit kurzem e in dem ist, so als würde es demm geschrieben. Andere Personen deklinieren dey so: dey/deren/dey/dey.

Als dey noch im kollektiven Entscheidungsprozess im Rennen war, wurde auch thematisiert, dass deren als Possessivform mit dem femininen bzw. pluralischen deren verwechselt werden könnte. Außerdem wurden Probleme der Deklinierbarkeit von deren besprochen (siehe hier). Es gab daher auch Alternativvorschläge für die Possessivform von dey, wobei allerdings in der Umfrage dazu deren trotz dieser Probleme unter den Possessivformen zu dey am besten abgeschnitten hat. Am zweitbeliebtesten war dabei sihr, eine Verschmelzung von sein und ihr. Als wir zu den Dativ- und Akkusativformen übergingen, wurde darauf hingewiesen, dass denen zu sehr nach einem Plural klingen könnte. Trotz dieser Problematik war dey/deren/denen/dey in der Umfrage zu den Pronomensystemen die beliebteste Deklination von dey, wobei an zweiter und dritter Stelle dey/deren/denem/dey bzw. dey/deren/deym/dey standen.

Manche nichtbinäre Deutschsprachige bevorzugen auch auf Deutsch das Pronomen they, gewöhnlicherweise in Kombination mit der Deklination they/their/them/them, also wie im Englischen.

sier und xier

Manche nichtbinäre Deutschsprachige verwenden das Pronomen sier, eine Verschmelzung aus sie und er. Dieses Pronomen wurde schon 2010 von Illi Anna Heger über die Webseite des Projektes Pronomen ohne Geschlecht beworben, und zwar mit der Deklination sier/sies/siem/sien. 2012 hat Heger die Form xier/xies/xiem/xien vorgeschlagen, da die Kritik aufgekommen war, sier klinge zu sehr wie sie. Während laut unserer zweiten öffentlichen Umfrage nur ein sehr kleiner Teil der nichtbinären Deutschsprachigen xier/xies/xiem/xien als eigenes Pronomen wählt, wird dieses Pronomensystem häufig bei Übersetzungen von englischsprachigen Werken mit singular they verwendet (siehe hier).

Kollektiver Entscheidungsprozess

Bei der kollektiven Entscheidungsfindung dazu, welches Pronomen wir als allgemeines geschlechtsneutrales Pronomen empfehlen wollen, haben wir die oben genannten Grundformen en, hen, dey, xier und sier und viele andere in Betracht gezogen.

In der öffentlichen Umfrage Anfang 2021 gaben 500 Teilnehmerne ihre Einschätzung zu 20 vorgeschlagenen Pronomen-Grundformen ab, wobei dey, hen, em, sier und en am beliebtesten waren und sich die anderen Vorschläge – einschließlich xier – vom weiteren Prozess der kollektiven Entscheidungsfindung disqualifiziert haben. Bei xier lag dies wahrscheinlich vor allem an dem x, das im Deutschen bisher nur in Fremdwörtern am Wortanfang auftritt.

Anfang 2022 besprachen wir innerhalb unserer Diskussionsforen, wie die Pronomen dey, hen, em, sier und en und einige andere vorher nicht betrachtete Vorschläge dekliniert werden könnten. Bei der gruppeninternen Umfrage zu Grundform-Possessivform-Paaren blieben nur noch die Grundformen hen, en und dey im Rennen. Die Grundform sier war wahrscheinlich vor allem deswegen unbeliebter, weil sie im Sprechfluss klanglich nur schwer von sie unterscheidbar ist.

Bei einer weiteren gruppeninternen Umfrage zur Deklination der Pronomen qualifizierten sich nur die Grundformen hen und en mit den hier vorgestellten Deklinationen. Die geringere Beliebtheit der Grundform dey lässt sich wahrscheinlich vor allem darauf zurückführen, dass sie den im Deutschen ungewöhnlichen Vokalzwielaut ey enthält und die möglichen Deklinationsweisen von dey weniger intuitiv und anderweitig problematischer sind als die von hen und en. Zum Beispiel hat die häufig in Kombination mit dey verwendete Possessivform deren den Nachteil, als Femininum oder Plural aufgefasst werden zu können.

Bei der zweiten öffentlichen Umfrage im Oktober 2022 war en etwas beliebter als hen. Daraufhin wurde bei einer Mitgliederversammlung des Vereins am 26.11.2022 beschlossen, dass nur en Teil des Formensystems sein wird, das wir an die Öffentlichkeit tragen werden.

Selbstverständlich können alle Pronomen, die in unseren Umfragen ausgeschieden sind, weiterhin als eigenes Pronomen ausgewählt werden (und auch jedes andere Neopronomen, siehe z. B. hier). Es ging bei der kollektiven Entscheidungsfindung lediglich um die Frage, welches als allgemeines geschlechtsneutrales Pronomen für die oben genannten Verwendungskontexte an die Öffentlichkeit getragen werden sollte.

Pronomen als Teil geschlechtsneutraler Sprache

In den letzten Jahren ist insbesondere in queeren Kreisen das Bewusstsein gereift, dass der Mangel eines etablierten geschlechtsneutralen Pronomens in der deutschen Sprache ein Problem ist. Dieses Bewusstsein ist ein wichtiger Nährboden für die Verbreitung eines solchen Pronomens im Sprachgebrauch. Allerdings ist uns auch aufgefallen, dass der Mangel an geschlechtsneutralen Substantiven, Artikeln und Adjektivendungen in der deutschsprachigen LGBTQ+-Community häufig weniger thematisiert wird.

Dies mag unter anderem daran liegen, dass der Diskurs stark von der Entwicklung im englischsprachigen Raum beeinflusst ist. Dort wurde durch die zunehmende Etablierung des singular they eine bessere sprachliche Repräsentation nichtbinärer Personen erreicht. Außerdem bereiten durch die grammatische Beschaffenheit der englischen Sprache andere Wortarten für den geschlechtsneutralen Sprachgebrauch kaum Probleme.

Deutsch hingegen ist eine Sprache, in der in vielen Wortarten durch die Wahl des Genus (grammatischen Geschlechts) häufig auch etwas über das Geschlecht der benannten Person kommuniziert wird. Wir halten es daher im Fall der deutschen Sprache für unerlässlich, den Blick auch über die Pronomen hinaus auf andere Wortarten zu richten und ein geschlechtsneutrales Genus zu entwickeln, das wir Inklusivum nennen. Ein Vorschlag für ein derartiges Gesamtsystem ist das von uns vorgeschlagene De-e-System.