Ergebnisse der Umfrage zu Anredeformen (April 2023)

Vom 1.4. bis zum 13.4.2023 haben wir innerhalb unserer Diskussionsforen eine Umfrage durchgeführt, um zu ermitteln, wie beliebt verschiedene Vorschläge für geschlechtsneutrale bzw. spezifisch nichtbinäre Anredeformen sind.

Bei den geschlechtsneutralen Anredeformen war Person eindeutig beliebter als alle anderen Vorschläge und hat sich als einzige qualifiziert. Bei den spezifisch nichtbinären Anreden war Enby am beliebtesten, wobei sich zusätzlich auch noch Nonbi, Enbe und Nib qualifiziert haben.

Auf dem Rest dieser Seite erläutern wir die Durchführung und die Ergebnisse dieser Umfrage im Detail.

Die Umfrage

Im März haben wir auf unserem Discord-Server und in unserer Facebook-Gruppe eine Diskussion dazu geführt, welche Anredeformen statt „Frau [Nachname]“ und „Herr [Nachname]“ in formalen Kontexten verwendet werden können. Eine Lösung, die schon praktiziert wird und die wir auch als eine mögliche Lösung empfehlen werden, ist die Verwendung des vollständigen Namens (Vorname+Nachname) ohne ein vorangestelltes Wort. Allerdings hat die Diskussion in unseren Foren ergeben, dass diese Lösung nicht von allen in allen Kontexten als angemessen angesehen wird, unter anderem weil in manchen Kontexten der Vorname nicht bekannt ist und es unter Umständen auch unerwünscht sein kann, ihn zu kommunizieren. Wir haben uns daher darüber ausgetauscht, welches Wort in solchen Anreden statt „Frau“ oder „Herr“ verwendet werden könnte. Dabei haben wir einerseits Vorschläge für geschlechtsneutrale Anredewörter, andererseits spezifisch nichtbinäre Anredewörter besprochen. In einer Vorabstimmung konnten sich die besprochenen Formen für die Umfrage qualifizieren.

In der Umfrage standen aufgrund dieser Vorabstimmung die folgenden zehn Vorschläge für geschlechtsneutrale Anredeformen zur Auswahl:

  • Person
  • Pson
  • Per
  • Pers
  • Pere
  • Ferr
  • Ind
  • Xer
  • Ser
  • Mensch

Außerdem standen die folgenden sieben Vorschläge für spezifisch nichtbinäre Anredeformen zur Auswahl:

  • Enby
  • Enbe
  • Nonbi
  • Nonby
  • Nib
  • Nibe
  • Xer

Zudem wurde in der Umfrage darauf hingewiesen, dass die Vorschläge für spezifisch nichtbinäre Anredeformen auch verwendet werden könnten, um das Konzept „nichtbinäre Person“ in einem Wort auszudrücken.

Am Anfang der Umfrage gab es die folgende Frage: „Möchtest Du, dass geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden, um über Dich zu sprechen?“ Je nachdem, wie die Frage beantwortet wurde, bekamen die Teilnehmerne im weiteren Verlauf der Umfrage unterschiedliche Optionen angezeigt:

  • Bei „Ja“: Die Teilnehmerne konnten jedem der 17 zur Wahl stehenden Anredeformen zwei Noten geben: eine dafür, wie passend sie die Formen für sich selbst finden, und eine dafür, wie gut sie es fänden, wenn sich die Anredeform als im allgemeinen Gebrauch etabliert.
  • Bei „Nein“: Die Teilnehmerne konnten jeder Anredeform nur eine Note geben: dafür, wie gut sie die Formen für den allgemeinen Gebrauch finden.

Jeder Vorschlag konnte mit einer Note von 1 bis 6 bewertet werden, wobei erläutert wurde, dass 1 „sehr gut“, 4 „gerade so akzeptabel“ und 6 „sehr schlecht“ bedeutet.

Des Weiteren gab es zwei allgemeine Fragen zur Idee einer spezifisch nichtbinären Anrede sowie zur Idee eines allgemeinen Wortes für nichtbinäre Personen:

  • Wie sinnvoll findest Du es, wenn der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch zusätzlich zur geschlechtsneutralen Anrede eine spezifisch nichtbinäre Anrede empfiehlt?
  • Wie sinnvoll findest Du es, wenn der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch einen Vorschlag macht, wie das Konzept „nichtbinäre Person“ in einem einzigen Wort zum Ausdruck gebracht werden kann?

Vor der Umfrage hatten wir die wichtigsten Argumente, die während der Diskussion für oder gegen die verschiedenen Vorschläge vorgebracht wurden, zu einer Pro-Contra-Liste zusammengetragen, auf die wir in der Einleitung der Umfrage verwiesen haben.

Die Ergebnisse

Es haben 24 Personen teilgenommen. Davon gaben 18 an, dass sie möchten, dass geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden, um über sie zu sprechen.

Folgende Graphik stellt die Durchschnittsnoten dar, die die geschlechtsneutralen Anredeformen bei der Frage nach der Tauglichkeit für den allgemeinen Gebrauch erhalten haben:

Durchschnittsnoten der zehn Vorschläge für die geschlechtsneutrale Anredeform (allgemeiner Gebrauch)

Die 18 Teilnehmerne, die mit geschlechtsneutralen Begriffen bezeichnet werden möchten, haben zusätzlich die Frage beantwortet, wie gut sie die geschlechtsneutralen Anredeformen für sich selbst fänden. Die folgenden Graphik zeigt die Durchschnittsnoten bezüglich dieser Frage:

Durchschnittsnoten der zehn Vorschläge für die geschlechtsneutrale Anredeform (Präferenz für sich selbst)

Wie leicht erkennbar ist, war Person bei beiden Fragen eindeutig beliebter als alle anderen Vorschläge.

Folgende Graphik stellt die Durchschnittsnoten dar, die die spezifisch nichtbinären Anredeformen bei der Frage nach der Tauglichkeit für den allgemeinen Gebrauch erhalten haben:

Bei der Frage nach der Präferenz bzgl. der spezifisch nichtbinären Anredeform für die befragte Person selbst waren die Durchschnittsnoten wie folgt:

Durchschnittsnoten der sieben Vorschläge für die spezifisch nichtbinäre Anredeform (Präferenz für sich selbst)

Bei beiden Fragen zur spezifisch nichtbinären Anrede war Enby am beliebtesten, wobei das Ergebnis weniger eindeutig war als bei den Fragen zur geschlechtsneutralen Anredeform.

Die folgende Tabelle zeigt die Durchschnittsnoten, die bei den beiden Fragen zur Idee einer spezifisch nichtbinären Anrede und zur Idee eines allgemeinen Wortes für nichtbinäre Personen vergeben wurden:

FrageDurchschnittsnote
Wie sinnvoll findest Du es, wenn der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch zusätzlich zur geschlechtsneutralen Anrede eine spezifisch nichtbinäre Anrede empfiehlt?3,17
Wie sinnvoll findest Du es, wenn der Verein für geschlechtsneutrales Deutsch einen Vorschlag macht, wie das Konzept „nichtbinäre Person“ in einem einzigen Wort zum Ausdruck gebracht werden kann?2,04

Die Datei mit den Rohdaten und Details zu den im nächsten Abschnitt erläuterten statistischen Auswertungen lässt sich hier herunterladen.

Statistische Analyse der Ergebnisse

Wir wollen die Ergebnisse dieser Umfrage verwenden, um zu entscheiden, welche Vorschläge wir auf unserer Webpräsenz bewerben oder für weitere diesbezügliche Diskussion im Rennen behalten. Der Schnitt zwischen den Vorschlägen, die sich dafür qualifizieren, und denen, die wir nicht weiter betrachten, sollte möglichst systematisch gemacht werden, um Willkür zu vermeiden. Wie schon bei den vorherigen gruppeninternen Umfragen haben wir zu diesem Zweck eine Likelihood-Analyse durchgeführt, also für jeden Vorschlag die wahrscheinlichkeitstheoretische Plausibilität dafür bestimmt, dass dieser Vorschlag unter allen an diesem Thema interessierten Deutschsprachigen am beliebtesten wäre (also die höchste Durchschnittsnote hätte, wenn wir alle interessierten Personen befragen könnten). Die Methodik wird im Artikel zur ersten Substantivumfrage erläutert.

Dabei sind bei der Frage zur geschlechtsneutralen Anrede für den allgemeinen Gebrauch die folgenden Likelihood-Werte herausgekommen:

Person99,97 %
Pers0,02 %
Per0,01 %
alle anderen Vorschläge (7 weitere)jeweils unter 0,01 %

Bei der geschlechtsneutralen Anrede für die befragte Person selbst sind die folgenden Likelihood-Werte herausgekommen:

Person95,99 %
Pers1,70 %
Per1,25 %
Ind0,65 %
Xer0,15 %
Mensch0,10 %
Ferr0,07 %
Pson0,04 %
Pere0,03 %
Serunter 0,01 %

Wenn wir wie bei den früheren Umfragen den Schnitt zwischen qualifizierten und ausgeschiedenen Vorschlägen so setzen, dass die Irrtumswahrscheinlichkeit unter 5 % liegt, dann hat sich nur die Form Person qualifiziert.

Bei der Frage zur spezifisch nichtbinären Anrede für den allgemeinen Gebrauch sind die folgenden Likelihood-Werte herausgekommen:

Enby81,67 %
Nonbi11,12 %
Enbe4,18 %
Nonby1,79 %
Nibe0,96 %
Nib0,24 %
Xer0,02 %

Bei dieser Frage haben sich somit Enby, Nonbi und Enbe qualifiziert.

Bei der spezifisch nichtbinären Anrede für die befragte Person selbst sind die folgenden Likelihood-Werte herausgekommen:

Enby91,06 %
Nib4,16 %
Enbe1,24 %
Nibe1,24 %
Xer1,24 %
Nonbi0,63 %
Nonby0,43 %

Bei dieser Frage haben sich somit Enby und Nib qualifiziert.

Fazit

Aufgrund der Ergebnisse dieser Umfrage werden wir auf unserer Webpräsenz auf einer neuen Seite zum Thema Anrede neben der Kombination „[Vorname] [Nachname]“ auch die Kombination „Person [Nachname]“ für formale Anreden empfehlen.

Als nächsten Diskussionsschritt planen wir, explizit zu thematisieren, wie das Konzept „nichtbinäre Person“ in einem Wort ausgedrückt werden könnte. Die vier qualifizierten Formen Enby, Enbe, Nonbi und Nib werden auf jeden Fall Teil dieser Diskussion sein, wobei auch andere Formen eingebracht werden können. Sobald wir uns darauf geeinigt haben, welches Wort wir hierfür empfehlen, werden wir auf der Seite der Anrede erwähnen, dass dieses Wort auch statt Person in der formalen Anrede verwendet werden kann, wenn bekannt ist, dass die angesprochene Person diese explizit nichtbinäre Anrede für sich gut findet.