Ergebnisse der Umfrage zu Pronomen und Possessivformen (Februar 2022)

Vom 2.2. bis zum 16.2.2022 haben wir innerhalb unserer Diskussionsforen eine Umfrage durchgeführt, um zu ermitteln, welche Vorschläge für die Grund- und Possessivform des geschlechtsneutralen Personalpronomens, also für die geschlechtsneutrale Alternative zu er+sein und sie+ihr, am beliebtesten sind.

Die vier Grundform-Possessivform-Paare, die sich für die weitere Arbeit qualifiziert haben, lauten wie folgt:

  • en+ens
  • en+sihr
  • hen+hens
  • dey+deren

Die Umfrage

Im Januar haben wir in unserer Facebook-Gruppe und auf unserem Discord-Server eine Diskussion dazu geführt, welche Paare von Grund- und Possessivform des geschlechtsneutralen Personalpronomens sinnvoll sein könnten. Dabei haben wir uns für die Grundformen an den Ergebnissen der öffentlichen Umfrage von Anfang 2021 orientiert: Die fünf beliebtesten Grundformen aus dieser Umfrage (dey, hen, em, sier und en) haben wir als automatisch für die weitere Arbeit qualifiziert angesehen. Des Weiteren wurden in der Diskussion noch die Grundformen de, e, ee, ens und et eingebracht, die sich daraufhin dadurch qualifiziert haben, dass jeweils mindestens vier Personen sie unterstützt haben. Wir haben dann verschiedene Arten, die Possessivform zu bilden, besprochen und dabei alle plausibel erscheinenden Grundform-Possessivform-Paare zur Vorabstimmung gestellt. Außerdem konnten die Gruppenmitglieder eigene Paare einbringen, die wir dann ebenfalls in die Vorabstimmung aufgenommen haben. Jedes Paar, das von mindestens vier Personen unterstützt wurde, sollte in die Umfrage aufgenommen werden. Auf diese Weise haben sich 26 Grundform-Possessivform-Paare qualifiziert, die wir im Folgenden nach Grundformen sortiert aufführen:

  • dey: deys, deren, deyren, sihr, deyer
  • de: deren
  • hen: hens, deren, hers, sihr
  • en: ens, deren, ers, sihr
  • em: ems, ers, sihr
  • e: es, ehs, deren, ers, sihr
  • ee: ees, deren
  • sier: siers, sihn

Die oben erwähnten Grundformen ens und et haben mit keiner der betrachteten Possessivformen vier Unterstützungen erhalten und waren dadurch schon vor der Umfrage disqualifiziert.

Außerdem haben wir in dieser Diskussionsphase Vorabstimmungen dazu durchgeführt, ob auf -s endende Possessivformen wie ems und deys und die Possessivformen deren und deyren entgegen verbreiteter Praxis dekliniert werden sollten. Bezüglich der auf -s endenden Possessivformen hat es bei der Vorabstimmung eine klare Präferenz dafür gegeben, diese genauso wie existierende Possessivformen zu deklinieren, z. B. „hense Jacke“ anstelle von „hens Jacke“. Bezüglich der Possessivformen deren und deyren haben wir drei Möglichkeiten betrachtet, die in der Vorabstimmung alle ähnlich beliebt waren, sodass wir sie alle drei auch in der Umfrage zu Wahl gestellt haben. Dabei sollte jeder der folgenden drei Optionen eine Note von 1 bis 6 gegeben werden:

  • Wenn „deren“ bzw. „deyren“ an einer Stelle steht, wo „ihr/sein“ eine Endung erhielte, ersetzt diese Endung „-en“: „Kim öffnete die Seitentasche derer Jacke und entnahm daraus dere Brieftasche und deren Ticket.“
  • Nur wenn das Substantiv nach „deren“ bzw. „deyren“ im Genitiv steht, wird „-en“ durch die passende Genitiv-Endung ersetzt: „Kim öffnete die Seitentasche derer Jacke und entnahm daraus deren Brieftasche und deren Ticket.“
  • „deren“ bzw. „deyren“ wird nicht dekliniert: „Kim öffnete die Seitentasche deren Jacke und entnahm daraus deren Brieftasche und deren Ticket.“

Am Anfang der Umfrage gab es die folgende Frage: „Möchtest Du, dass geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden, um über Dich zu sprechen?“ Je nachdem, wie die Frage beantwortet wurde, bekamen die Teilnehmerne im weiteren Verlauf der Umfrage unterschiedliche Optionen angezeigt:

  • Bei „Ja“: Die Teilnehmerne konnten jedem der 26 zur Wahl stehenden Grundform-Possessivform-Paare zwei Noten geben: eine dafür, wie passend sie die Formen für sich selbst als eigenes Pronomen finden, und eine dafür, wie gut sie es fänden, wenn die Formenkombination zum allgemeinen geschlechtsneutralen Pronomen würde (z. B. um über eine unspezifische Person beliebigen Geschlechts zu sprechen oder über eine spezifische Person, deren Geschlecht de Sprechere nicht kennt oder nicht erwähnen will).“
  • Bei „Nein“: Die Teilnehmerne konnten jedem Paar nur eine Note geben: dafür, wie gut sie die Formen für den allgemeinen Gebrauch finden.

Bezüglich der Notenskala von 1 bis 6 wurde erläutert, dass die Note 1 für „sehr gut“, 4 für „gerade so akzeptabel“ und 6 für „sehr schlecht“ steht.

Jeder der 26 Vorschläge wurde durch einen Beispielsatz der folgenden Form veranschaulicht: „Dey steckt deys Buch in deysen Rucksack.“

Vor der Umfrage haben wir die wichtigsten Argumente, die während der Diskussion für oder gegen die verschiedenen Vorschläge vorgebracht wurden, zu einer Pro-Contra-Liste zusammengetragen, auf die wir in der Einleitung der Umfrage verwiesen haben.

Die Ergebnisse

Es haben 29 Personen teilgenommen. Davon haben 23 angegeben, dass sie möchten, dass geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden, um über sie zu sprechen.

In der folgenden Graphik wird die Durchschnittsnote und Streuung jedes Paares dargestellt, die es bei der Frage nach der Tauglichkeit für den allgemeinen Gebrauch erhalten hat:

Durchschnittsnoten und Streuung bei Frage nach allgemeinem Gebrauch (Streuungsmaß: mittlere absolute Abweichung)

Die 23 Teilnehmerne, die mit geschlechtsneutralen Begriffen bezeichnet werden möchten, haben zusätzlich die Frage beantwortet, wie gut sie die Grundform-Possessivform-Paare für sich selbst fänden. Die folgenden Graphik zeigt die Durchschnittsnoten und Streuung bezüglich dieser Frage:

Durchschnittsnoten und Streuung bei Frage nach Pronomen für sich selbst (Streuungsmaß: mittlere absolute Abweichung)

Wir haben die Grundform-Possessivform-Paare in beiden Graphiken nach der Durchschnittsnote in der jeweiligen Kategorie sortiert. Die Reihenfolge ist also nicht dieselbe in den beiden Graphiken. Bei einer Analyse der hier dargestellten Ergebnisse ist allerdings leicht erkennbar, dass die ersten vier Positionen in den beiden Kategorien von denselben Paaren besetzt wurden, wenn auch in verschiedener Reihenfolge. Diese vier beliebtesten Paare sind en+ens, hen+hens, en+sihr und dey+deren.

Die Datei mit den Rohdaten und den im nächsten Abschnitt erläuterten statistischen Auswertungen lässt sich hier herunterladen.

Statistische Analyse der Ergebnisse

Wir wollen die Ergebnisse dieser Umfrage dafür verwenden, um zu entscheiden, welche Vorschläge für die weitere Entscheidungsfindung im Rennen bleiben. Der Schnitt zwischen den weiter zu betrachtenden und den herauszufilternden Vorschlägen sollte möglichst systematisch gemacht werden, um Willkür zu vermeiden. Wie schon bei der Substantiv-Umfrage und den drei Artikel-Umfragen verwenden wir zu diesem Zweck eine Likelihood-Analyse, bestimmen also für jeden Vorschlag die wahrscheinlichkeitstheoretische Plausibilität dafür, dass dieser Vorschlag unter allen an diesem Thema interessierten Deutschsprachigen am beliebtesten wäre (also die höchste Durchschnittsnote hätte, wenn man alle interessierten Personen befragen könnte). Die Methodik wird im Artikel zur Substantivumfrage erläutert.

Bei der Frage nach der Tauglichkeit der Vorschläge für den allgemeinen Gebrauch sind wir dabei auf die folgenden Werte gekommen:

en+ens62,0 %
hen+hens16,0 %
en+sihr10,6 %
dey+deren6,8 %
em+ems1,9 %
hen+sihr1,1 %
en+deren0,8 %
dey+sihr0,3 %
dey+deys0,3 %
hen+deren0,1 %
em+sihr0,1 %
de+deren0,1 %
en+ers0,1 %
alle anderen Vorschläge (13 weitere)jeweils unter 0,1 %

Wenn wir wie bei den früheren Umfragen den Schnitt zwischen qualifizierten und ausgeschiedenen Vorschlägen so setzen, dass die Irrtumswahrscheinlichkeit unter 5 % liegt, dann haben sich nur die vier beliebtesten Vorschläge en+ens, hen+hens, en+sihr und dey+deren qualifiziert. Wir haben dieselbe statistische Analyse auch auf die Bewertung der Tauglichkeit der Vorschläge als Pronomen für sich selbst durchgeführt, wobei sich die gleichen vier Vorschläge qualifiziert haben. Somit scheint es sinnvoll, nur diese vier Grundform-Possessivform-Paare als Grundlage für die weitere Entscheidungsfindung zu nehmen.

Deklination von deren

Wie im Abschnitt Umfrage erläutert, gab es zusätzlich eine Frage zur Deklinierbarkeit von deren und deyren. Die Form deyren hat sich jetzt aufgrund des schlechten Abschneidens für die weitere Entscheidungsfindung disqualifiziert, sodass es nur noch um die Deklination von deren geht.

Am beliebtesten war der Vorschlag, deren möglichst ähnlich wie die traditionellen Possessiv-Artikel (z. B. ihr und sein) zu deklinieren. Dieser Vorschlag hatte eine Durchschnittsnote von 3,1. Mit einer Durchschnittsnote von 3,3 fast genauso beliebt war der Vorschlag, deren nur vor Substantiven zu deklinieren, die im Genitiv stehen. Der Vorschlag, deren überhaupt nicht zu deklinieren, hat mit einer Durchschnittsnote von 4,2 eindeutig am schlechtesten abgeschnitten.

Die Possessivform deren ist nur noch in der Kombination dey+deren im Rennen. Unter den 29 Teilnehmernen haben 21 dem Paar dey+deren eine Note im Bereich 1–4 gegeben, also eine Note, die für Akzeptanz dieses Vorschlags steht. Für die Entscheidungsfindung zur Deklination von deren erscheint es sinnvoll, der Einschätzung derjenigen, die dey+deren überhaupt akzeptabel finden, etwas höheres Gewicht zu geben als der Einschätzung derjenigen, die dey+deren sowieso abgelehnt haben. Unter diesen 21 Teilnehmernen war die Durchschnittsnote für den Vorschlag, deren möglichst viel zu deklinieren, 3,0, genauso wie für den Vorschlag, deren nur im Genitiv zu deklinieren. Der Vorschlag, deren überhaupt nicht zu deklinieren, war mit der Durchschnittsnote 3,8 auch innerhalb dieser Teilgruppe der Teilnehmerne eindeutig am unbeliebtesten.

Aufgrund dieser Ergebnisse scheint es uns jetzt am sinnvollsten, sowohl die Option, deren möglichst viel zu deklinieren, als auch die Option, deren nur im Genitiv zu deklinieren, im Rennen zu behalten und die Option, deren gar nicht zu deklinieren als disqualifiziert zu betrachten. Falls sich das Pronomen dey+deren bei der weiteren Entscheidungsfindung durchsetzen sollte, könnten wir beide Varianten der Deklinierbarkeit vorstellen und es der Sprachgemeinschaft überlassen, welche Option sich durchsetzt.

Weitere Arbeit

In der nächsten Phase unserer Arbeit an einer Konsenslösung für geschlechtsneutrale Formen wird es um die Dativ- und Akkusativformen des Personalpronomens gehen. Dabei werden wir aufgrund der Ergebnisse der hier vorgestellten Umfrage innerhalb unserer Diskussionsforen gemeinsam betrachten, wie die vier Paare en+ens, hen+hens, en+sihr und dey+deren um Dativ- und Akkusativformen erweitert werden können.