Ergebnisse der Umfrage zu Pronomensystemen (März 2022)

Vom 19.3. bis zum 31.3.2022 haben wir innerhalb unserer Diskussionsforen eine Umfrage durchgeführt, um zu ermitteln, welche Vorschläge für die Deklination des geschlechtsneutralen Personalpronomens am beliebtesten sind. Dabei haben sich die folgenden beiden Deklinationssysteme für die zweite öffentliche Umfrage qualifiziert:

  • hen/hens/hem/hen
  • en/ens/em/en

Auf dem Rest dieser Seite erläutern wir die Durchführung und die Ergebnisse dieser Umfrage im Detail.

Die Umfrage

Von Ende Februar bis Mitte März haben wir auf unserem Discord-Server und in unserer Facebook-Gruppe eine Diskussion dazu geführt, welche Deklinationen des geschlechtsneutralen Personalpronomens sinnvoll sein könnten. Dabei haben wir uns vor allem an den Grundform-Possessivform-Paaren orientiert, die sich bei der vorherigen Umfrage qualifiziert hatten, also en+sihr, en+ens, hen+hens und dey+deren. Wir haben verschiedene Möglichkeiten besprochen, wie diese Paare jeweils um Dativ- und Akkusativ-Formen zu einem vollständigen Deklinationssystem des Personalpronomens erweitert werden können. Am Ende jedes Diskussionsabschnitts haben wir eine Vorabstimmung durchgeführt, um die Anzahl derjenigen Deklinationssysteme, die in der Umfrage erscheinen, zu reduzieren. Jede Deklination, die von mindestens vier Personen unterstützt wurde, hat sich dadurch für die Umfrage qualifiziert. Zusätzlich wurde in der Diskussion auch die Deklination hen/sihr/hem/hen sowie drei Deklinationen mit der Grundform sen eingebracht, die sich trotz höheren Schwellenwerts von sechs bzw. fünf Zustimmungen auch für die Umfrage qualifizieren konnten. Auf diese Weise haben sich 17 Deklinationen qualifiziert:

  • en/ens/em/en
  • en/ens/hem/hen
  • en/ens/ens/ens
  • en/sihr/em/en
  • en/sihr/hem/hen
  • en/sihr/ens/ens
  • en/sihr/ihrm/sihn
  • en/sihr/sihm/sihn
  • hen/hens/hem/hen
  • hen/sihr/hem/hen
  • sen/sin/sem/sen
  • sen/sihr/sem/sen
  • sen/sihr/sihm/sen
  • dey/deren/denen/dey
  • dey/deren/denem/dey
  • dey/deren/deym/dey
  • dey/deren/deym/deyn

Am Anfang der Umfrage gab es die folgende Frage: „Möchtest Du, dass geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden, um über Dich zu sprechen?“ Je nachdem, wie die Frage beantwortet wurde, bekamen die Teilnehmerne im weiteren Verlauf der Umfrage unterschiedliche Optionen angezeigt:

  • Bei „Ja“: Die Teilnehmerne konnten jedem der 17 zur Wahl stehenden Pronomendeklinationen zwei Noten geben: eine dafür, wie passend sie die Formen für sich selbst als eigenes Pronomen finden, und eine dafür, wie gut sie es fänden, wenn die Formenkombination zum allgemeinen geschlechtsneutralen Pronomen würde (z. B. um über eine unspezifische Person beliebigen Geschlechts zu sprechen oder über eine spezifische Person, deren Geschlecht de Sprechere nicht kennt oder nicht erwähnen will).
  • Bei „Nein“: Die Teilnehmerne konnten jeder Deklination nur eine Note geben: dafür, wie gut sie die Formen für den allgemeinen Gebrauch finden.

Es konnten Noten von 1 bis 6 vergeben werden, wobei erläutert wurde, dass die Note 1 für „sehr gut“, 4 für „gerade so akzeptabel“ und 6 für „sehr schlecht“ steht.

Jeder der 17 Vorschläge wurde durch einen Beispielsatz der folgenden Form veranschaulicht: „En verlor ensen Schlüssel und ich half em, indem ich en zu mir einlud.“

Vor der Umfrage haben wir die wichtigsten Argumente, die während der Diskussion für oder gegen die verschiedenen Vorschläge vorgebracht wurden, zu einer Pro-Contra-Liste zusammengetragen, auf die wir in der Einleitung der Umfrage verwiesen haben.

Die Ergebnisse

Es haben 31 Personen teilgenommen. Davon gaben 21 an, dass sie möchten, dass geschlechtsneutrale Begriffe verwendet werden, um über sie zu sprechen.

Folgende Graphik stellt die Durchschnittsnote dar, die jedes Pronomensystem bei der Frage nach der Tauglichkeit für den allgemeinen Gebrauch erhalten hat. Die Streuung wird durch die schwarzen vertikalen Linien veranschaulicht:

Durchschnittsnoten und Streuung bei Frage nach allgemeinem Gebrauch (Streuungsmaß: mittlere absolute Abweichung)

Die 21 Teilnehmerne, die mit geschlechtsneutralen Begriffen bezeichnet werden möchten, haben zusätzlich die Frage beantwortet, wie gut sie die Pronomendeklinationen für sich selbst fänden. Die folgenden Graphik zeigt Durchschnittsnoten und Streuung bezüglich dieser Frage:

Durchschnittsnoten und Streuung bei Frage nach Pronomen für sich selbst (Streuungsmaß: mittlere absolute Abweichung)

Wir haben die Pronomendeklinationen in beiden Graphiken nach der Durchschnittsnote in der jeweiligen Kategorie sortiert, wodurch unterschiedliche Reihenfolgen entstehen. Es ist allerdings leicht erkennbar, dass in beiden Kategorien hen/hens/hem/hen mit Abstand am besten abgeschnitten hat und en/ens/em/en jeweils an zweiter Stelle steht.

Die Datei mit den Rohdaten und den im nächsten Abschnitt erläuterten statistischen Auswertungen lässt sich hier herunterladen.

Statistische Analyse der Ergebnisse

Wir wollen die Ergebnisse dieser Umfrage dafür verwenden, um zu entscheiden, welche Vorschläge für die weitere Entscheidungsfindung im Rennen bleiben. Der Schnitt zwischen den weiter zu betrachtenden und den herauszufilternden Vorschlägen sollte möglichst systematisch gemacht werden, um Willkür zu vermeiden. Wie schon bei der Substantiv-Umfrage, den drei Artikel-Umfragen und der ersten Pronomenumfrage verwenden wir zu diesem Zweck eine Likelihood-Analyse, bestimmen also für jeden Vorschlag die wahrscheinlichkeitstheoretische Plausibilität dafür, dass dieser Vorschlag unter allen an diesem Thema interessierten Deutschsprachigen am beliebtesten wäre (also die höchste Durchschnittsnote hätte, wenn man alle interessierten Personen befragen könnte). Die Methodik wird im Artikel zur Substantivumfrage erläutert.

Bei der Frage nach der Tauglichkeit der Vorschläge für den allgemeinen Gebrauch sind wir dabei auf die folgenden Werte gekommen:

hen/hens/hem/hen92,98 %
en/ens/em/en6,52 %
dey/deren/denen/dey0,38 %
hen/sihr/hem/hen0,05 %
dey/deren/denem/dey0,05 %
en/ens/hem/hen0,01 %
alle anderen Vorschläge (11 weitere)jeweils unter 0,01 %

Wenn wir wie bei den früheren Umfragen den Schnitt zwischen qualifizierten und ausgeschiedenen Vorschlägen so setzen, dass die Irrtumswahrscheinlichkeit unter 5 % liegt, dann haben sich nur die beiden beliebtesten Vorschläge hen/hens/hem/hen und en/ens/em/en qualifiziert. Wir haben dieselbe statistische Analyse auch auf die Bewertung der Tauglichkeit der Vorschläge als eigenes Pronomen durchgeführt, wobei sich auch dabei nur diese beiden Vorschläge qualifiziert haben. Im Falle der hier oben aufgeführten Zahlen für die Tauglichkeit der Vorschläge für den allgemeinen Gebrauch ist der Abstand zwischen den beiden beliebtesten und den restlichen Vorschlägen sogar so groß, dass selbst mit der manchmal verwendeten niedrigeren Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,5 % sich immer noch nur die beiden beliebtesten Vorschläge qualifizieren würden. Somit scheint es sinnvoll, nur diese beiden Vorschläge für die zweite öffentliche Umfrage im Rennen zu lassen.

Fazit

Die gruppeninterne Arbeit zur Konsensfindung bezüglich des geschlechtsneutralen Pronomens ist mit dieser Umfrage abgeschlossen. Nach Diskussionseinheiten zu weiteren Themen werden wir in einigen Monaten eine zweite öffentliche Umfrage zu geschlechtsneutralem Deutsch durchführen, in der es unter anderem eine Frage dazu geben wird, ob wir im Rahmen unseres Gesamtsystems für geschlechtsneutrales Deutsch hen/hens/hem/hen oder lieber en/ens/em/en als geschlechtsneutrales Pronomen für den allgemeinen Gebrauch empfehlen sollten.