(August 2022)
Vom 9.8. bis zum 22.8.2022 haben wir innerhalb unserer Diskussionsforen eine Umfrage durchgeführt, um zu ermitteln, wie beliebt die vorgeschlagenen Kombinationen der Singular- und Plural-Grundformen und der Plural-Dativ-Formen der geschlechtsneutralen Substantive sind. Außerdem gab es eine gesonderte Frage dazu, wie der Genitiv Singular gebildet werden soll, falls sich die Endung -e für die geschlechtsneutrale Grundform im Singular durchsetzt.
Der Vorschlag, im Singular -e, im Plural -erne und im Dativ Plural -ernen als Substantiv-Endung zu verwenden, war eindeutig beliebter als alle anderen Vorschläge und hat sich als einziger qualifiziert. Für den Genitiv Singular von Substantiven wie Schülere bleibt sowohl die durch Anhängen von -s markierte als auch die unmarkierte Form im Rennen.
Auf dem Rest dieser Seite erläutern wir die Durchführung und die Ergebnisse dieser Umfrage im Detail.
Die Umfrage
In der Umfrage standen folgende sechs Vorschläge für geschlechtsneutrale Substantivsysteme zur Auswahl:
- -e/-erne/-ernen
- -e/-es/-es
- -e/-e/-en
- -ern/-erne/-ernen
- -ens/-ense/-ensen
- -is/-is/-is
(nach dem Muster „Singular-Grundform/Plural-Grundform/Plural-Dativ-Form“)
Bei der Substantiv-Umfrage im April 2021 hatten wir schon einmal die Singular- und Plural-Grundformen der Substantive thematisiert. Alle Vorschläge außer -ern/-erne/-ernen basieren auf Vorschlägen, die sich damals qualifiziert hatten (im Falle der Grundform-Endung -e unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Umfrage zu den Lang- und Kurzformen der Substantive). Zu den jetzt ergänzten Dativ-Plural-Endungen hatten wir kürzlich in unseren Foren eine Vorabstimmung durchgeführt, wobei sich für jedes System nur eine Variante qualifiziert hat. Der Vorschlag -ern/-erne/-ernen war bei vorherigen Umfragen nicht thematisiert worden, hat sich aber in einer Vorabstimmung in unseren Foren für diese Umfrage qualifiziert.
In der Umfrage wurden die Vorschläge jeweils durch einen Beispielsatz veranschaulicht, der im Falle des ersten Substantivsystems wie folgt lautete: „De Lehrere vergleicht die Verfasserne dieser Texte mit den Journalisternen der heutigen Zeit.“
Die Teilnehmerne konnten jeden Vorschlag mit einer Note von 1 bis 6 bewerten, wobei erläutert wurde, dass 1 „sehr gut“, 4 „gerade so akzeptabel“ und 6 „sehr schlecht“ bedeutet.
Zusätzlich zum Abschnitt bezüglich dieser sechs Vorschläge gab es die folgende Frage zur Bildung der Genitiv-Singular-Form:
Falls sich die Endung „-e“ für die geschlechtsneutrale Grundform im Singular durchsetzt (z. B. „de Pilote“, „de Flugbegleitere“), welche der folgenden beiden Optionen für den Genitiv Singular bevorzugst Du:
- mit „-s“, z. B. „Der Koffer ders Pilotes wurde dank ders Flugbegleiteres gefunden.“
- ohne „-s“, z. B. „Der Koffer ders Pilote wurde dank ders Flugbegleitere gefunden.“
- Ich habe keine klare Präferenz für eine der Lösungen.
Vor der Umfrage hatten wir die wichtigsten Argumente, die während der Diskussion für oder gegen die verschiedenen Vorschläge vorgebracht wurden, zu einer Pro-Contra-Liste zusammengetragen, auf die wir in der Einleitung der Umfrage verwiesen haben.
Die Ergebnisse
Es haben 27 Personen teilgenommen. Die folgende Graphik stellt die Durchschnittsnoten dar, die die verschiedenen Vorschläge erhalten haben:
Der Vorschlag -e/-erne/-ernen hat mit einer Durchschnittsnote von 2,19 eindeutig besser abgeschnitten als die anderen fünf Vorschläge, die alle im Bereich von 3,85 bis 4,59 liegen.
Die folgende Graphik stellt die Antworten zur Frage zum Genitiv Singular dar:
Die Datei mit den Rohdaten und Details zu den im nächsten Abschnitt erläuterten statistischen Auswertungen lässt sich hier herunterladen.
Statistische Analyse der Ergebnisse
Wir wollen die Ergebnisse dieser Umfrage verwenden, um zu entscheiden, welche Vorschläge in der geplanten zweiten öffentlichen Umfrage zur Wahl stehen. Der Schnitt zwischen den Vorschlägen, die sich dafür qualifizieren, und denen, die wir nicht weiter betrachten, sollte möglichst systematisch gemacht werden, um Willkür zu vermeiden. Wie schon bei den vorherigen gruppeninternen Umfragen haben wir zu diesem Zweck eine Likelihood-Analyse durchgeführt, also für jeden Vorschlag die wahrscheinlichkeitstheoretische Plausibilität dafür bestimmt, dass dieser Vorschlag unter allen an diesem Thema interessierten Deutschsprachigen am beliebtesten wäre (also die höchste Durchschnittsnote hätte, wenn wir alle interessierten Personen befragen könnten). Die Methodik wird im Artikel zur ersten Substantivumfrage erläutert.
Dabei sind für die Substantivsystem-Vorschläge die folgenden Likelihood-Werte herausgekommen:
-e/-erne/-ernen | 99,998 % |
-ern/-erne/-ernen | 0,002 % |
alle anderen Vorschläge (4 weitere) | jeweils unter 0,001 % |
Somit hat sich der Vorschlag -e/-erne/-ernen eindeutig gegenüber den anderen Systemen durchgesetzt. Die Frage nach dem Substantivsystem braucht daher nicht in die zweite öffentliche Umfrage aufgenommen werden.
Bei der Frage zur Genitivmarkierung sind in der Likelihood-Analyse die folgenden Werte herausgekommen:
Genitiv mit -s | 41,7 % |
Genitiv ohne -s | 58,3 % |
Bezüglich der Genitivmarkierung kann es daher jetzt noch keine Festlegung geben, weshalb es in der zweiten öffentlichen Umfrage eine Frage zu diesem Thema geben wird.
Ausblick
Diese Umfrage war die letzte gruppeninterne vor der zweiten öffentlichen Umfrage, bei der alle Fragen thematisiert werden sollen, die zur Erstellung des Konsenssystems für geschlechtsneutrales Deutsch noch offen sind:
- Soll das Personalpronomensystem hen/hens/hem/hen oder en/ens/em/en lauten?
- Soll der Genitiv Singular der Substantive durch die Endung -s markiert werden oder reicht wie im Femininum und Plural eine Markierung am Artikel?
- Soll bei Artikeln, einigen Pronomen und der starken Deklination der Adjektive der Akkusativ wie der Nominativ lauten oder durch die Endung -ern markiert werden?
- Welche der folgenden sechs Gesamtsysteme für die starke Endung soll empfohlen werden? (Erläuterung zu diesen Systemen gibt es hier):
- ey/ey/ey + ey/ey
- e/re/re + re/re
- e/re/re + ere/ere
- e/e/∅ + ere/ere
- e/ere/ere + ere/ere
- e/e/∅ + ∅/∅
Das derzeit auf unserer Webpräsenz empfohlene Gesamtsystem für geschlechtsneutrales Deutsch besteht einerseits aus den grammatischen Details, auf die wir uns in unserem Konsensfindungsprozess schon geeinigt haben, und andererseits – bezüglich der vier hier oben aufgelisteten noch offenen Fragen – jeweils aus den Vorschlägen, die in den gruppeninternen Umfragen am beliebtesten waren.