Ergebnisse der Umfrage zur starken Endung (Mai 2022)

Vom 5.5. bis zum 17.5.2022 haben wir innerhalb unserer Diskussionsforen eine Umfrage durchgeführt, um zu ermitteln, welche Vorschläge für die geschlechtsneutrale starke Endung am beliebtesten sind. Für die weitere Entscheidungsfindung haben sich ‑ey und ‑ei als allgemeine starke Endungen qualifiziert. Außerdem bleiben noch Systeme im Rennen, die je nach Anwendungskontext ‑ere, ‑re, ‑e oder die leere Endung verwenden.

Auf dem Rest dieser Seite erläutern wir, was die starke Endung ist, wie wir die Umfrage durchgeführt haben, wie beliebt die verschiedenen Endungen in den abgefragten Anwendungskontexten waren und wie wir aus den Umfrage-Ergebnissen ermittelt haben, welche Endungen für die weitere Entscheidungsfindung im Rennen bleiben.

Erläuterungen zur starken Endung

In der deutschen Sprache gibt es eine in mehreren Wortarten auftretende Endung, die wir „starke Endung“ nennen. Im Nominativ lautet diese im Maskulinum ‑er, im Neutrum ‑es und im Femininum ‑e (wobei dies im Nominativ auch die allgemeine schwache Endung der Adjektive ist). Die starke Endung wird bei Adjektiven verwendet, vor denen entweder ein endungsloser oder gar kein Artikel steht. Außerdem tritt sie bei Artikeln des jed-Paradigmas (jede(r/s), diese(r/s), welche(r/s) usw.) und bei Artikelpronomen auf (so nennen wir von Artikeln abgeleitete Pronomen wie eine(r/s), keine(r/s), meine(r/s) usw. sowie jede(r/s), diese(r/s), welche(r/s) usw. in pronominaler Verwendung).

Die Formen des Genitivs, Dativs und Akkusativs brauchten bei dieser Umfrage nicht thematisiert zu werden, weil sie sich aus den bereits thematisierten Artikeldeklinationen ergeben (im Genitiv und Dativ ‑ers bzw. ‑erm; im Akkusativ entweder ‑ern oder keine Unterscheidung vom Nominativ).

Die Umfrage

Bei dieser Umfrage haben wir sechs verschiedene Anwendungskontexte der starken Endung unterschieden und die Präferenzen für jeden dieser Anwendungskontexte getrennt abgefragt. Die zur Wahl stehenden Endungen wurden in den jeweiligen Anwendungskontexten durch die folgenden Beispielsätze veranschaulicht – hier exemplarisch mit der Endung ‑ey:

  1. Adjektiv ohne Artikel vor Substantiv: „Hen hat als erstey deutschey Sängere diesen Preis gewonnen.“
  2. Substantiviertes Adjektiv ohne Artikel: „Erst als Erwachseney durfte ich Vorsitzendey des Vereins werden.“
  3. Adjektiv vor Name in Anrede: „Liebey Kim“, „Sehr geehrtey Kim Müller“
  4. Adjektiv nach endungslosem Artikel: „Mein ehemaligey Partnere ist ein professionelley Tennisspielere.“
  5. Artikelpronomen: „Sobald einey von ihnen das erfährt, weiß es jedey.“
  6. Artikel des jed-Paradigmas: „Jedey Teilnehmere sollte wissen, dass diesey Sängere auftreten wird.“

Die folgenden sieben Endungen standen für alle sechs Anwendungskontexte zur Wahl:

  • -et
  • -ey
  • -ei
  • -ens
  • -ere
  • -re
  • leere Endung (also Abwesenheit einer Endung; wie in der sprachwissenschaftlichen Literatur üblich verwenden wir dafür auf dieser Seite die Notation ‑∅)

Außerdem stand im ersten, zweiten und vierten Anwendungskontext auch die Endung ‑e zur Wahl, wobei es dazu im zweiten Anwendungskontext folgenden Hinweis gab, der Beispielsatz entsprechend angepasst:

Diese Endung ist hier nur dann vom Femininum unterscheidbar, wenn ein Artikel ergänzt wird, z. B.: „Erst als ein Erwachsene durfte ich de Vorsitzende des Vereins werden.“

Vor der Umfrage haben wir die wichtigsten Argumente, die während der Diskussion für oder gegen die verschiedenen Vorschläge vorgebracht wurden, zu einer Pro-Contra-Liste zusammengetragen, auf die wir in der Einleitung der Umfrage verwiesen haben.

Die Ergebnisse

Es haben 15 Personen teilgenommen. Die folgenden sechs Graphiken stellen die Durchschnittsnoten dar, die die verschiedenen Vorschläge in den sechs Verwendungskontexten erhalten haben:

Durchschnittsnoten bei „Adjektiv ohne Artikel vor Substantiv“
Durchschnittsnoten bei „substantiviertes Adjektiv ohne Artikel“
Durchschnittsnoten bei „Adjektiv vor Name in Anrede“
Durchschnittsnoten bei „Adjektiv nach endungslosem Artikel“
Durchschnittsnoten bei „Artikelpronomen“
Durchschnittsnoten bei „Artikel des jed-Paradigmas“

Die Endung -ey war bei jedem Anwendungskontext unter den zwei beliebtesten Formen, wohingegen -ens immer die unbeliebteste Form war. Bei den anderen Endungen sind die Ergebnisse etwas durchmischter, sodass es einer genaueren statistischen Analyse bedarf.

Die Datei mit den Rohdaten und Details zu den im nächsten Abschnitt erläuterten statistischen Auswertungen lässt sich hier herunterladen.

Statistische Analyse der Ergebnisse

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sollen die Umfrage-Ergebnisse bestimmen, welche Vorschläge für die weitere Entscheidungsfindung im Rennen bleiben. Der Schnitt zwischen den weiter zu betrachtenden und den herauszufilternden Vorschlägen sollte möglichst systematisch gemacht werden, um Willkür zu vermeiden. Wie schon bei den vorherigen sieben Umfragen haben wir zu diesem Zweck eine Likelihood-Analyse durchgeführt, also für jeden Vorschlag die wahrscheinlichkeitstheoretische Plausibilität dafür bestimmt, dass dieser Vorschlag unter allen an diesem Thema interessierten Deutschsprachigen am beliebtesten wäre (also die höchste Durchschnittsnote hätte, wenn wir alle interessierten Personen befragen könnten). Die Methodik wird im Artikel zur Substantivumfrage erläutert.

Hier eine Übersicht darüber, welche Endungen sich nach dem Likelihood-Kriterium für die jeweiligen Anwendungskontexte qualifiziert haben (jeweils in der Reihenfolge von der beliebtesten bis zur unbeliebtesten qualifizierten Endung des jeweiligen Anwendungskontexts):

  1. Adjektiv ohne Artikel vor Substantiv: -e, -ey, -et, -ei
  2. Substantiviertes Adjektiv ohne Artikel: -ey, -et, -ei, -re*, -e, -ere
  3. Adjektiv vor Name in Anrede: -ey, -ei, -∅, -re
  4. Adjektiv nach endungslosem Artikel: -e, -ey, -ei
  5. Artikelpronomen: -ere, -ey, -ei, -∅, -re
  6. Artikel des jed-Paradigmas: -∅, -ey, -ere, -ei, -re, -et

*genauso beliebt wie ‑ei

Die Endungen ‑ey und ‑ei haben sich also in allen sechs Anwendungskontexten qualifiziert. Die Endung ‑e hat sich in den drei Anwendungskontexten, in denen sie zur Wahl stand, qualifiziert. Die Endung ‑re hat sich in vier der sechs Anwendungskontexte qualifiziert, wohingegen sich ‑ere, ‑∅ und ‑et in jeweils drei Anwendungskontexten qualifiziert haben. Die einzige Endung, die sich in keinem Kontext qualifiziert hat, war ‑ens.

Mögliche Gesamtsysteme

Auf Grundlage der Umfrage-Ergebnisse wollen wir nun eine Vorauswahl dazu fällen, welche Gesamtsysteme für die starke Endung in einer zweiten Umfrage zur Wahl stehen sollen. Diese Gesamtsysteme sollten möglichst kohärent sein. Unter anderem sind natürlich diejenigen Gesamtsysteme kohärent, die für alle sechs Anwendungskontexte dieselbe Endung verwenden. Zusätzlich kann ein Gesamtsystem aber auch dann als kohärent angesehen werden, wenn es nach einer bestimmten Logik verschiedene Endungen in den verschiedenen Kontexten empfiehlt.

Bei den Endungen ‑e, ‑re, ‑ere und ‑∅ wurde schon während der Diskussion vor der Umfrage hervorgehoben, dass sie sich eher für Systeme eignen, in denen sie jeweils nur in einem Teil der Anwendungskontexte verwendet werden. In Anbetracht dessen scheinen uns jetzt folgende Systeme sinnvolle Kandidaten für die nächste Umfrage (die hier verwendete Notation für Gesamtsysteme stellt die empfohlene Endung in den sechs Anwendungskontexten in derselben Reihenfolge vor, in der die Anwendungskontexte oben aufgeführt wurden):

  • ∅-e-basierte Systeme: e/e/∅/e/∅/∅, e/∅/∅/e/∅/∅
  • ere- bzw. re-basierte Systeme: e/ere/ere/e/ere/ere, e/re/re/e/re/re, e/re/re/e/ere/ere
  • ∅-e-ere-basierte Systeme: e/e/∅/e/ere/ere, e/∅/∅/e/ere/ere

Sechs dieser sieben Gesamtsysteme verwenden für jeden Anwendungskontext eine Endung, die sich nach der Likelihood-Analyse für den jeweiligen Kontext qualifiziert hat; die einzige Ausnahme ist e/ere/ere/e/ere/ere, das in nur fünf der sechs Anwendungskontexte eine qualifizierte Endung verwendet. Allgemein scheint es uns sinnvoll, für die zweite Umfrage nur noch Gesamtsysteme zu betrachten, die in mindestens fünf der sechs Anwendungskontexte eine im jeweiligen Kontext qualifizierte Endung verwenden.

Bei Gesamtsystemen, die in irgendeiner Form von der Endung ‑ey Gebrauch machen, finden wir für die vier Anwendungskontexte der Adjektiv-Endungen unter Einbezug der Umfrage-Ergebnisse drei Lösungen plausibel, nämlich ey/ey/ey/ey sowie ey/ey/ey/e und e/ey/ey/e. Diese drei Lösungen können jeweils mit einer von drei dazu passenden Lösungen für die Artikelpronomen und die Artikel des jed-Paradigmas kombiniert werden, nämlich ey/ey sowie ey/∅ und ∅/∅. Von den sich daraus ergebenden neun theoretisch denkbaren Möglichkeiten scheint uns nur eine besonders unplausibel, und zwar e/ey/ey/e/∅/∅, denn hier würde ‑ey nur noch in den zwei seltensten Verwendungskontexten vorkommen, sodass ‑ey dann eher als Sonderfall wahrgenommen werden könnte, wodurch das System inkohärent wirken würde. Somit ergeben sich folgende acht Gesamtsysteme, die auf der Endung ‑ey basieren:

  • ey/ey/ey/ey/ey/ey, ey/ey/ey/ey/ey/∅, ey/ey/ey/ey/∅/∅
  • ey/ey/ey/e/ey/ey, ey/ey/ey/e/ey/∅, ey/ey/ey/e/∅/∅
  • e/ey/ey/e/ey/ey, e/ey/ey/e/ey/∅

Die gleichen Gesamtsystemen lassen sich auch mit ‑ei statt ‑ey bilden.

Die Endung ‑et hat sich zwar in drei Verwendungskontexten qualifiziert, aber es scheint uns nicht möglich, ein kohärentes Gesamtsystem zu bilden, bei dem in mindestens fünf der sechs Anwendungskontexte eine qualifizierte Endungen verwendet wird und dabei auch ‑et vorkommt. Die acht für ‑ey und ‑ei plausiblen Gesamtsysteme würden übertragen auf die Endung ‑et zu Systemen führen, die jeweils in höchstens vier der sechs Anwendungskontexte eine qualifizierte Endung verwenden. Daher scheint es uns für die weitere Entscheidungsfindung nicht mehr sinnvoll, Gesamtsysteme mit ‑et in Betracht zu ziehen.

Weiteres Vorgehen

Im vorherigen Abschnitt haben wir 23 Gesamtsysteme vorgestellt, die unseres Erachtens plausible Kandidaten für die nächste Umfrage sind. Damit diese nicht zu unübersichtlich wird, schlagen wir vor, zu den 16 Gesamtsystemen, die entweder auf ‑ey oder ‑ei basieren, eine zweistufige Diskussion und Vorabstimmung durchzuführen – zuerst bezüglich der vier Adjektivkontexte, danach unter Hinzunahme der letzten beiden Anwendungskontexte. Dabei könnten einige dieser 16 Gesamtsysteme wegfallen, wodurch die nächste Umfrage übersichtlicher würde. Die 7 übrigen, sehr unterschiedlichen Gesamtsysteme, die weder auf ‑ey noch auf ‑ei basieren, diskutieren wir nicht extra, damit die Diskussion sich nicht zu sehr hinzieht und zu unübersichtlich wird – außer es wird dafür gestimmt, auch sie in die Diskussion aufzunehmen.

Wir halten es für denkbar, dass trotz der Erläuterungen im vorherigen Abschnitt für manche Teilnehmerne unserer Diskussionen nicht ganz nachvollziehbar ist, wie wir auf die 23 Gesamtsysteme gekommen sind. Falls es dazu Rückfragen gibt, werden wir diese gerne in den Diskussionsforen beantworten. Falls mindestens zwei Personen auch nach einem diesbezüglichen Austausch mit der Vorauswahl von 23 Gesamtsystemen oder dem hier skizzierten weiteren Vorgehen nicht einverstanden sein sollten, würden wir stattdessen eine detailliertere Diskussion zu den Gesamtsystemen anleiten. Darin könnten auch noch weitere Gesamtsysteme eingebracht werden, die mit den Ergebnissen dieser ersten Umfrage kompatibel sind.