Die geschlechtsneutralen Formen des De‑e-Systems, die wir empfehlen, sind das Ergebnis einer zweijährigen kollektiven Entscheidungsfindung mit Online-Diskussionen und Umfragen. Dabei war die Hauptintention, dass sich mit den Formen aufgrund der großen Zahl eingeflossener Perspektiven möglichst viele Deutschsprachige anfreunden können, denen geschlechtsneutrale Sprache wichtig ist. Natürlich sind dennoch nicht alle Menschen, die unseren Ansatz an sich sinnvoll finden, mit dem gesamten System ohne Einwände zufrieden. Wir unterstützen die Freiheit einer jeden Person, die deutsche Sprache auf die Weise zu verwenden, wie sie es präferiert – egal, ob das bedeutet, beim generischen Maskulinum zu bleiben, das De‑e-System in den eigenen Sprachgebrauch aufzunehmen (und ggf. zu modifizieren) oder ein gänzlich andersartiges Formensystem zu benutzen.
Im Abschnitt Alternative Vorschläge der Seite Pronomen stellen wir Alternativen zum Personalpronomen en/ens/em/en vor. Auf dieser Seite informieren wir über alternative Formen in den anderen Wortarten, wobei wir uns auf Formen fokussieren, die entweder bei einer der von uns durchgeführten Umfragen relativ beliebt waren oder außerhalb unserer Internetforen öffentliche Aufmerksamkeit erhalten haben. Außerdem gehen wir auf mögliche Kritikpunkte am De-e-System ein.
Substantive
Sonderzeichen
Die bisher bekannteste Lösung für die Substantive besteht in der Verwendung von Sonderzeichen: Lehrer*in, Lehrer:in, Lehrer_in. Das Sonderzeichen wird oft als Glottisschlag artikuliert (also als ganz kurze Sprechpause wie nach dem r in Hühnerei). Da dieser im Deutschen in der Regel nur vor einem Vokal auftaucht, der den Anfang eines Wortstamms bildet (mit |einem; Hühner|ei; be|arbeiten) und nicht einer Endung, werden derartige Sonderzeichenformen von vielen als holprig und unnatürlich empfunden (ein|e Lehrer|in).
Besonders bei den Artikeln wird dies zu einem Problem. Denn erstens sind diese normalerweise unbetont, was die Artikulation des Glottisschlags besonders ungewohnt macht, und zweitens gibt es gar keine Konvention, wie Formen wie diese*r oder die*der ausgesprochen werden sollen. Eine Kompromisslösung könnte darin bestehen, Sonderzeichen nur bei den Substantiven zu verwenden und bei anderen Wortarten leichter aussprechbare Lösungen wie die des De-e-Systems zu verwenden, z. B. so: „De Gitarrist*in dieser Band ist mein ehemalige Nachbar*in“. Ein ausführlicherer Artikel über unsere Einstellung zum bisherigen Gendern lässt sich auf dieser Seite finden.
De-e-System und Varianten
Plural
Für die Substantive des De-e-Systems hat sich letztlich Lehrere für den Singular und Lehrerne für den Plural durchgesetzt. Im Zuge der Entscheidungsfindung wurden aber auch viele andere Lösungen in Betracht gezogen. Da Substantive mit der Endung ‑e im Deutschen normalerweise den Plural durch Anhängen von ‑n bilden (Kollege → Kollegen), mag es plausibel erscheinen, die Singularform Lehrere mit der Pluralform Lehreren zu verbinden. Dabei tritt allerdings das Problem auf, dass bei Wörtern wie Studente die Pluralform Studenten nicht von der maskulinen Pluralform unterscheidbar wäre. Außerdem könnte die Lehreren leicht als die Lehrerin missverstanden werden. Aufgrund dieser Probleme wurde die Pluralendung -n in der Entscheidungsfindung schon früh aufgegeben. Länger in Betracht gezogen wurden die Optionen, die Pluralform der Substantive nicht von der Singularform zu unterscheiden (z. B. zwei Lehrere) oder durch ‑s zu markieren (z. B. zwei Lehreres). Zu diesen Formen lassen sich auf dieser Seite Pro- und Contra-Argumente finden.
Kurzformen
Vereinzelt ist die Kritik aufgekommen, dass Lehrere als geschlechtsneutrale Form problematisch ist, weil sie von der maskulinen Form Lehrer abgeleitet ist bzw. die maskuline Form darin vorkommt (obwohl dies bei Lehrerin ja auch der Fall ist). Um dieses Problem zu umgehen und gleichzeitig die geschlechtsneutrale Form möglichst kurz zu halten, ist es denkbar, bei Substantiven, die im Maskulinum auf ‑er enden, das r zu tilgen, anstatt -e anzuhängen: de Schüle, de Lehre. Bei Lehrer (und einigen anderen Personenwörtern) führt dies zu einer Form, die schon mit anderer Bedeutung existiert, sodass es sinnvoll sein könnte, diese Lösung nur anzuwenden, wenn es nicht zu einem solchen Problem kommt.
Auch bei Personenwörtern wie Kunde, die im Maskulinum auf e enden, ist eine gekürzte Variante der inklusivischen Form denkbar. Bisher wird im De-e-System die Endung ‑re angehängt, was die Form eine Silbe und zwei Buchstaben länger macht: Kundere, Kollegere. Stattdessen könnte das finale e der maskulinen Grundform einfach getilgt werden: Kund, Kolleg.
Bei Wörtern wie Studente, Arzte und Pilote ist eine derartige Kürzung hingegen nicht möglich. Formen wie Stude sind zwar denkbar (zumal Studi schon relativ gebräuchlich ist), bei vielen Personenwörtern würde dies aber zu verwirrenden Formen führen (Pilote → Pile, Autore/Autiste → Aute etc.). Mehr Argumente für und gegen derartige Kurzformen finden sich auf dieser Seite.
Sonstige Alternativen
Eine weitere relativ plausible Option besteht darin, im Singular Lehrern zu verwenden. Dies löst das Problem, dass die inklusivische Pluralform (Lehrerne) bisher nicht nach einem existierenden Schema gebildet wird. Mit dem Singular auf -rn statt auf -e kann einfach die Regel formuliert werden, dass analog zu bisherigen Wörtern wie Freund oder Friseur im Plural ein ‑e angehängt wird.
Außerdem gibt es den Vorschlag Lehrens aus dem Buch „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht?“ von Lann Hornscheidt und Ja’n Sammla, wobei der Plural entweder wie in diesem Buch vorgeschlagen unverändert Lehrens lauten könnte oder Lehrense. Zu diesen Vorschlägen gibt es auf dieser Seite Pro- und Contra-Argumente.
Im Entgendern nach Phettberg wird die Form Lehry (Plural Lehrys) verwendet. Manche Leute präferieren die Schreibweise Lehri (Plural Lehris). Beide Varianten dieses Vorschlags führen jedoch zu Assoziationen mit Verniedlichungsformen. So könnte bspw. Mördy oder Verbrechy für viele unangemessen klingen, zumindest in ernsthaften Situationen wie Gerichtsverhandlungen. Ein Vorschlag für geschlechtsneutrales Deutsch sollte aus unserer Sicht in allen Situationen angemessen sein und nicht zu problematischen Assoziationen führen.
Die folgenden Seiten zu Umfrage-Ergebnissen geben einen Einblick, wie es bei der kollektiven Entscheidungsfindung dazu gekommen ist, dass sich Lehrere/Lehrerne als die von uns empfohlene Form durchgesetzt hat:
- Erste öffentliche Umfrage (Januar–Februar 2021)
- Geschlechtsneutrale Substantive (April 2021)
- Lang- und Kurzformen der Substantive (Juli 2022)
- Substantivsysteme (August 2022)
Artikel
Bestimmter Artikel
Bei der Grundform des bestimmten Artikels haben neben de auch die Formen dey, det und dier in der ersten öffentliche Umfrage relativ gut abgeschnitten. Die Form dier wurde schon 2008 von Illi Anna Heger in Kombination mit dem Pronomen sier (2012 mit dem Pronomen xier) vorgeschlagen. Sie ist durch eine Zusammenführung des femininen Artikels die mit dem maskulinen der zustande gekommen. Ein Nachteil besteht darin, dass die Form genau wie dir klingt oder bei schneller Aussprache wie die, was beides zu Verwirrung führen könnte. Zu den Formen de, dey und det sind auf dieser Seite Pro- und Contra-Argumente zu finden.
Unbestimmter Artikel
Die jetzt empfohlene endungslose Form ein hat den Nachteil, mit der Form im Maskulinum und Neutrum identisch zu sein1, sodass wir uns auch ausführlich Gedanken dazu gemacht haben, wie dieses Problem vermieden werden könnte. Dabei waren eins, eint, einet und einey relativ beliebte Lösungen, wobei einey den Vorteil hätte, das De‑e‑System noch einheitlicher zu machen: Die Endung -ey kommt bisher bei Artikeln und Pronomen vor, die wie jedey gebildet werden (dies-, welch-, jen- etc.), und außerdem bei Pronomen, die von Artikeln des ein-Paradigmas abgeleitet sind (z. B. einey in Ausdrücken wie „einey von uns beiden“). Weitere Vor- und Nachteile dieser Formen sind auf dieser Seite zu finden.
Auch die Option eine wurde in Betracht gezogen, da sie wie de auf -e endet, aber diese Option war bei allen drei oben genannten Umfragen weniger beliebt als ein, wahrscheinlich weil bei einer endungslosen (d. h. unmarkierten) Form wie ein die Übereinstimmung mit einer existierenden Form als weniger problematisch angesehen wurde als bei einer Form mit Endung (d. h. einer markierten). Außerdem wird ein bisher nicht nur im Maskulinum verwendet, sondern auch im Neutrum.
Die folgenden Seiten zu Umfrage-Ergebnissen geben einen Einblick darein, wie es bei der kollektiven Entscheidungsfindung dazu gekommen ist, dass sich die Grundformen de und ein für die Artikel durchgesetzt haben:
- Erste öffentliche Umfrage (Januar–Februar 2021) (siehe Abschnitte Bestimmter Artikel und Unbestimmter Artikel)
- Geschlechtsneutrale Artikel (Oktober–November 2021)
- Artikelsysteme (Dezember 2021)
Alternativen zu man
Als mögliche Alternativen zum Indefinitpronomen man empfehlen wir mensch und ma. Weitere Alternativen, die sich anbieten, sind eins und einey.
Die Form eins wird schon seit mehreren Jahren in queeren oder progressiven Kreisen als Alternative zu man verwendet. Da das Wort bereits in anderer Bedeutung existiert, könnte es in manchen Kontexten zu Missverständnissen führen (wobei dieses Problem auch bei mensch auftritt). Da eins die Neutrum-Form des Indefinitpronomens einer/eine/eins ist, könnte die Form ähnlich wie andere Neutrum-Formen von einigen als entmenschlichend empfunden werden.
Die Verwendung von einey als Alternative zu man lässt sich dadurch motivieren, dass es bereits grammatisch etabliert ist, man im Dativ und Akkusativ durch das Pronomen einem bzw. einen zu ersetzen. Im Inklusivum wird daraus im Dativ einerm, im Akkusativ einey. Da im Inklusivum die Nominativform allgemein mit der Akkusativform identisch ist, wäre es logisch, auch im Nominativ einey zu verwenden. Zudem müsste dadurch keine zusätzliche Form gelernt werden, denn einey gibt es sowieso als inklusivische Form von einer. Allerdings würde bei der Verwendung von einey als Alternative zu man die Bedeutungs-Unterscheidung aufgegeben, die bisher im Nominativ zwischen man und einer getroffen wird. Außerdem könnte die Zweisilbigkeit von einey als Nachteil aufgefasst werden, genauso wie die Tatsache, dass diese Form mit der Endung ‑ey denjenigen Aspekt des De-e-Systems vorführt, der am ehesten Schwierigkeiten bei der Aussprache bereitet.
Starke Endung
Kontext
Im Deutschen tritt in mehreren Kontexten eine Endung auf, die wir „starke Endung“ nennen, und die im Nominativ (Wer-Fall) im Maskulinum -er, im Femininum -e und im Neutrum -es lautet. Sie tritt bei Adjektiven in der starken und gemischten Deklination auf sowie bei einigen Pronomen und Artikeln. Während der Entscheidungsfindung haben wir aus pragmatischen Gründen die folgenden Anwendungskontexte der starken Endung gesondert behandelt:
- bei Adjektiven in Anredeformeln (z. B. „Lieber Finn“)
- bei Adjektiven, wenn ihnen kein Artikel vorangeht und ein Substantiv folgt (z. B. „als langjähriger Mitarbeiter“)
- bei substantivierten Adjektiven, wenn ihnen kein Artikel vorangeht (z. B. „als Vorsitzender des Vereins“)
- bei Pronomen und Artikeln, die wie jeder gebildet werden (jeder, jener, jeglicher, jedweder, dieser, welcher, mancher, selbiger); außerdem bei Pronomen, die von Artikeln wie ein und ihr abgeleitet sind (einer, keiner, meiner, deiner, seiner, ihrer, unserer, eurer)
Alternativen
In der kollektiven Entscheidungsfindung hat sich für das De-e-System die Form ‑ey für die starke Endung durchgesetzt. Diese hat den Nachteil, dass sie aus einem Laut besteht, der im Deutschen bisher nur als Randphänomen zu betrachten ist, vgl. die Interjektionen hey und ey und Lehnwörter wie Mail oder Fake. Wir bieten zwar alternativ die Aussprache wie von ei in einerlei an (und auch ee wie in Kaffee ist möglich). Doch auch orthographisch ist die Buchstabenfolge ‹ey› im Deutschen eher auffällig.
Es gab in der zweiten öffentlichen Umfrage zwei Vorschläge, die fast genauso beliebt wie ‑ey waren und die sich beide dadurch auszeichnen, dass sie endungslose Adjektive in Kontext 1 verwenden (z. B. „Lieb Finn“) und die Endung ‑e in Kontext 2 („als langjährige Mitarbeitere“) und 3, wobei für Kontext 4 in einem Vorschlag die endungslose Form (z. B. jed) und im anderen Vorschlag die Endung ‑ere (z. B. jedere) verwendet würde. Bei substantivierten Adjektiven müsste ein Artikel ergänzt werden, um eine Verwechslung mit dem Femininum zu vermeiden (z. B. „als de Vorsitzende des Vereins“ statt „als Vorsitzende des Vereins“), was manchmal etwas unnatürlich wirken könnte.
Wir haben während der Entscheidungsfindung natürlich auch über mögliche Endungen nachgedacht, die wie ‑ey in allen Anwendungskontexten der starken Endung funktionieren würden, wobei neben ‑ey auch noch ‑ei und ‑et relativ beliebt waren.
Nach ein
Zusätzlich zu den vier oben genannten Anwendungskontexten wird die starke Endung im Deutschen auch nach endungslosen Artikeln wie ein verwendet, z. B. „ein netter Junge“ und „ein neues Buch“. Im De-e-System hat es sich hingegen durchgesetzt, in solchen Kontexten die schwache Endung ‑e und nicht die starke Endung ‑ey zu benutzen, z. B. „ein nette Schülere“, nicht „ein nettey Schülere“. Diese Abweichung von der bisherigen Systematik der deutschen Endungen hat drei Gründe:
- Es lassen sich dadurch die Adjektiv-Endungen in den Nominativ-Formen des De‑e-Systems leicht erläutern.
- Die Endung ‑e ist leichter aussprechbar als ‑ey, sodass es sinnvoll ist, ‑ey nur in den Fällen zu verwenden, in denen die Verwendung von ‑e eine Verwechslung mit dem Femininum wahrscheinlich macht.
- Adjektive enden nach Artikeln des ein-Paradigmas im Nominativ Singular bisher nur im Femininum auf ‑e (eine nette Person, aber ein netter Mensch, ein nettes Individuum), wodurch die maskuline Assoziation mit der Form ein relativiert werden könnte:
ein netter Schüler + eine nette Schülerin → ein nette Schülere
Die starke Endung wurde im Prozess der Entscheidungsfindung mehrmals thematisiert, zuerst als Endung für den Artikel welche(r) bei der ersten öffentliche Umfrage und als Endung für den Artikel jede(r) bei den Umfragen zu den Artikeln und Artikelsystemen, und später in all ihren Anwendungskontexten bei der Umfrage zur starken Endung, der Umfrage zum Gesamtsystem der starken Endung und der zweiten öffentlichen Umfrage. Argumente für und gegen die verschiedenen Formen und Systeme lassen sich hier und hier finden.
Deklination
Grammatische Fälle und ihre Funktion
Im Deutschen werden vier Fälle unterschieden: Nominativ (Wer-Fall), Genitiv (Wessen-Fall), Dativ (Wem-Fall) und Akkusativ (Wen-Fall). Im Plural werden Nominativ und Akkusativ nie unterschieden, und auch im Singular sind diese beiden Fälle im Neutrum und Femininum identisch. Zusätzlich gibt es im Femininum keine Unterscheidung zwischen Genitiv und Dativ. Nur im Maskulinum Singular sind also alle vier Fälle unterschiedlich markiert. Bei der Entwicklung des Inklusivums war es anfangs unklar, welche Fälle unterschieden werden sollen. Im Endeffekt hat es sich beim De-e-System durchgesetzt, Genitiv- und Dativformen von der Grundform zu unterscheiden, aber keine gesonderte Akkusativform zu integrieren – also genau wie im Plural und Neutrum.
Da das Formensystem möglichst leicht erlernbar sein sollte, ist es theoretisch auch denkbar, gar keine Fallunterscheidungen zu treffen. Allerdings kann dies die Interpretation mancher Sätze stark erschweren, wie der folgende Beispielsatz eines theoretischen Systems ohne Fallunterscheidungen veranschaulicht:
Ich stelle de Kollegere de Architekte vor.
Dieser Satz hat drei Lesarten, die im De-e-System wie folgt lauten:
Ich stelle derm Kollegere de Architekte vor.
Ich stelle de Kollegere derm Architekte vor.
Ich stelle de Kollegere ders Architektes vor.
Durch die Unterscheidung der Genitiv- und Dativformen werden solche Sätze klarer. Aber es gibt auch Sätze, bei denen eine Nominativ-Akkusativ-Unterscheidung mehr Klarheit bringen würde, z. B.: „Diesey Schülere hat de Lehrere gut bewertet.“ Hier könnte die Bewertung entweder von derm Schülere oder von derm Lehrere durchgeführt worden sein, da nicht markiert wird, welcher Satzteil Subjekt und welcher Objekt ist.
Die Genitiv-Form ist diejenige, bei der eine Unterscheidung von der Grundform am wichtigsten ist, um Verwirrungen zu vermeiden. Auch bei Eigennamen wir nur der Genitiv von den anderen Fällen unterschieden. Somit wäre es auch denkbar, in einem System geschlechtsneutraler Neoformen nur die Genitivform zu unterscheiden. Damit wären weniger Formen zu lernen als in unserem Vorschlag, aber es gäbe auch ein bisschen mehr Potential für Missverständnisse.
Genitiv und Dativ
Für den Genitiv war neben der jetzt empfohlenen Endung ‑ers auch die Endung ‑ens relativ beliebt, für den Dativ neben der jetzt empfohlenen Endung ‑erm auch ‑ern. Diese alternativen Formen haben gegenüber den jetzt empfohlenen Formen den Vorteil, in der gesprochenen Sprache besser vom Maskulinum unterscheidbar zu sein. Allerdings sind sie nicht als Kombination von Femininum und Maskulinum motivierbar (einer + eines → einers etc.) und dadurch eventuell weniger intuitiv. Bei den relevanten Umfragen (Genitiv- und Dativformen und Geschlechtsneutrale Artikel) wurden Kombinationen von Genitiv- und Dativformen bewertet, wobei die drei Kombinationen ‑ens/‑ern, ‑ers/‑ern und ‑ens/‑erm untereinander ähnlich beliebt waren, aber jeweils eindeutig weniger beliebt als die jetzt empfohlene Kombination ‑ers/‑erm. Mehr Argumente für und gegen die verschiedenen Formen sind hier zu finden.
Akkusativ
Als die Grundformen de und ein sowie die Formen im Genitiv (ders, einers) und Dativ (derm, einerm) schon feststanden, waren für den Akkusativ noch zwei Optionen im Rennen: die Grundform (de, ein) oder die Endung ‑ern (dern, einern). In der zweiten öffentlichen Umfrage war die Verwendung der Grundform im Akkusativ eindeutig beliebter als die Endung ‑ern, wahrscheinlich weil ‑ern zu sehr an die maskuline Endung erinnert (den vs. dern, einen vs. einern).
Die Deklination der Artikel hängt natürlich zu einem gewissen Maße davon ab, welche Grundformen gewählt werden. So lautet in Illi Anna Hegers Vorschlag die Deklination des bestimmten Artikels dier/dies/diem/dien, was bei der Grundform dier durchaus plausibel ist, da diese aus feminin die und maskulin der zusammengesetzt ist, und der maskuline Artikel im Akkusativ den lautet. Diese Motivation ist allerdings nicht auf andere Artikel übertragbar, da nur beim bestimmten Artikel die feminine Grundform auf ‑ie endet.
Hier die Umfragen, bei denen die Deklinationsformen der Artikel thematisiert wurden:
- Genitiv- und Dativformen (September 2021)
- Geschlechtsneutrale Artikel (Oktober–November 2021)
- Akkusativ-Unterscheidung (April 2022)
- Zweite öffentliche Umfrage (Oktober 2022) (Abschnitt Akkusativ der Artikel)
Deklinationsformen der Substantive
Dativ Plural
Im Deutschen erhalten Substantive im Dativ Plural immer ein zusätzliches ‑n, wenn sie im Nominativ Plural auf ‑e enden: z. B. die Freunde vs. mit den Freunden. Nachdem sich die Pluralendung ‑erne durchgesetzt hatte, wurde daher beschlossen, dass die Endung im Dativ Plural ‑ernen lauten würde, z. B. mit den Schülernen. Wenn diese zusätzliche Regel für manche unintuitiv ist, kann diese Endung aber auch weggelassen werden: mit den Schülerne.
Genitiv Singular
Bei der Genitiv-Singular-Form der Substantive stand die Frage im Raum, ob diese, wie im Maskulinum und Neutrum üblich, die Endung ‑s erhalten soll (ders Schüleres) oder wie im Femininum und im Plural mit der Nominativform identisch sein soll (ders Schülere). Für die Endung ‑s an den Substantiven spricht, dass dies bisher bei Substantiven, die in Kombination mit einem auf ‑s endenden Artikel verwendet werden, der Normalfall ist. Außerdem wird so der Genitiv doppelt markiert, was Missverständnissen vorbeugen könnte. Gegen die Endung ‑s sprechen zwei Punkte: Erstens wird ‑s bisher nie an Substantive angehängt, die im Nominativ auf ‑e enden. Zweitens führt die Endung ‑s dazu, dass die inklusivischen Formen im Genitiv klanglich eindeutig mehr Ähnlichkeit zum Maskulinum als zum Femininum aufweisen. Die jetzige Empfehlung der Endung ‑s beruht darauf, dass diese in der zweiten öffentlichen Umfrage etwas beliebter als die endungslose Form war.
Die Genitiv-Singular-Form der Substantive wurde in zwei Umfragen thematisiert:
- Substantivsysteme (August 2022)
- Zweite öffentliche Umfrage (Oktober 2022) (Abschnitt Genitiv Singular der Substantive)
Einheitliche Gesamtsysteme
Während des Prozesses der kollektiven Entscheidungsfindung kamen drei Vorschläge dazu auf, wie ein geschlechtsneutrales System kreiert werden könnte, indem in möglichst allen Kontexten die gleiche Endung verwendet würde. Ein solches System wäre wegen der kleinen Zahl unterschiedlicher Formen relativ leicht zu lernen, allerdings hat es sich als überaus schwierig herausgestellt, eine Endung zu finden, die in keinem Kontext zu größeren Problemen führt. Da die drei Vorschläge in den Diskussionen keinen großen Anklang erhielten, haben wir sie nicht weiter verfolgt und auch in keiner Umfrage zu Wahl gestellt, wollen sie aber der Vollständigkeit halber trotzdem hier vorstellen und kurz die jeweiligen Vor- und Nachteile beleuchten. Zusätzlich stellen wir eine vereinfachte Version des De-e-Systems vor.
Welches Personalpronomen mit den jeweiligen Systemen kombiniert werden könnte, wird hier nicht diskutiert. Es bietet sich aber z. B. an, für Systeme, die häufiger die Endung ‑ey enthalten, das Pronomen dey zu verwenden.
De-ern-System
Substantive: de Schülern/Studentern/Kundern; im Plural: die Schülerne/Studenterne/Kunderne
Artikel: de/ders/derm/de, einern/einers/einerm/einern, jedern/jeders/jederm/jedern
Außerdem würde ‑ern auch bei Artikelpronomen (z. B. einern von uns beiden) und bei Adjektiven ohne davorstehendem Artikel verwendet (z. B. als treuern Kundern, Liebern Kim).
Vorteile:
- Durch die regelmäßige Pluralbildung und die wortartenübergreifende Endung ‑ern ist dieses System sehr leicht erlernbar.
- Alle Formen sind leicht aussprechbar und verwenden ausschließlich im Deutschen übliche Laute und Lautkombinationen.
- Die Endung ‑ern der Grundformen mehrerer Wortarten passt gut zu den Artikel-Endungen im Genitiv (‑ers) und Dativ (‑erm).
- Die Verwendung der Endung ‑ern bei den Substantiven kann dadurch motiviert werden, dass sie vom Klang und teilweise auch vom Schriftbild her meistens zwischen der maskulinen und der femininen Form liegt: der Schüler, die Schülerin, de Schülern; des/dem/den Studenten, der/der/die Studentin, ders/derm/de Studentern.
- Es muss keine Ausnahme für Substantive wie Kunde und Kollege gelernt werden und die geschlechtsneutrale Form von Wörtern wie Freund ist, anders als im De-e-System, nicht mit dem Plural des Maskulinum identisch.
- Verglichen mit dem De-e-System sind die meisten Substantive im Singular um eine Silbe kürzer: Schülere → Schülern; Kundere → Kundern
Das System hat eigentlich nur einen eindeutigen Nachteil, der dafür von den meisten aktiven Teilnehmernen unserer Online-Foren als sehr signifikant empfunden wurde: Wörter wie jedern oder Schülern erinnern viele Leute klanglich sehr stark an die maskuline Form, da nur ein „n“ angehängt wird (dahingegen ändert sich bei Schülere die Aussprache der Buchstabenfolge „er“ deutlich, da sich die Silbengrenze verschiebt).
De-ens-System
Dieses System ist eine Adaption von Lann Hornscheidts und Ja’n Sammlas oben erwähnten Vorschlag und unterscheidet sich vom De-ern-System nur darin, dass statt ‑ern die Endung ‑ens verwendet wird, mit ‑ense als Plural-Endung der Substantive. Ein Vorteil dieser Endung gegenüber ‑ern ist, dass sie klanglich weiter vom Maskulinum entfernt ist und dafür näher am Neutrum. Das System wäre ähnlich leicht erlernbar wie das De-ern-System, aber die Endung ‑ens kann anders als ‑ern nicht durch Bezug auf die maskulinen und femininen Formen motiviert werden. Ein weiterer Nachteil ist, dass sehr viele Wörter mit einem zischenden s-Laut enden würden, der mehr hervorsticht als irgendein Laut im De-e-System oder im De-ern-System. Außerdem könnte die Endung intuitiv für einen Genitiv gehalten werden.
De-ey-System
Dieses System funktioniert genauso, nur dass statt ‑ern bzw. ‑ens die Endung ‑ey verwendet wird, mit ‑eys als Plural-Endung der Substantive. Das System ist ähnlich leicht erlernbar wie das De-ern-System und das De-ens-System. Genauso wie das De-ens-System hat es gegenüber dem De-ern-System den Vorteil, dass die Formen klanglich weiter vom Maskulinum entfernt sind, und den Nachteil, dass die Form der geschlechtsneutralen Substantive nicht durch Bezug auf die maskulinen und femininen Formen motiviert werden kann. Die Endung ‑ey sticht klanglich weniger hervor als ‑ens, sodass die Häufung von ‑ey wohl für viele als weniger störend empfunden würde als die Häufung von ‑ens. Andererseits ist ‑ey kein im Deutschen üblicher Zwielaut, sondern bisher nur in wenigen Anglizismen (z. B. Mail und Fake) und Ausrufewörtern (ey und hey) anzutreffen, nie als unbetonte Endung eines mehrsilbigen Wortes. Es könnte dadurch manchen Deutschsprachigen schwerfallen, die Endung wie vorgesehen auszusprechen (wie im englischen Wort they als [ɛɪ̯] bzw. bei natürlicher Lautreduktion als [əɪ̯]). Dieses Problem betrifft natürlich auch die Endung ‑ey im De-e-System, aber dort kommt diese Endung bedeutend seltener vor als im De-ey-System.
De-e-System (vereinfacht)
Ein möglicher Kritikpunkt am De-e-System ist die Vielzahl an Formen, die gelernt werden müssten. Hier stellen wir eine reduzierte Version vor. Folgendes sind die Änderungen:
- Es gibt keine eigene Dativ-Form (Wem-Fall) mehr, es heißt also z. B. „Ich habe es de Schülere erklärt“ statt „Ich habe es derm Schülere erklärt“.
- Auch die Dativ-Plural-Form der Substantive wird abgeschafft: „Ich habe es den Schülerne erklärt“ statt „Ich habe es den Schülernen erklärt“.
- Die Artikel des ein-Paradigmas (ein, kein, mein, dein, ihr etc.) sind nicht mehr endungslos, sondern erhalten die starke Endung ‑ey, genau wie die Artikel des jed-Paradigmas (jed-, welch-, dies- etc.) und Adjektive, vor denen kein Artikel steht: „Einey Schülere hat mich das gefragt“ statt „Ein Schülere hat mich das gefragt“.
Somit Fallen drei distinkte Formen des De-e-Systems weg, was die Erlernbarkeit erhöhen könnte. Natürlich kann jede beliebige Variation des De-e-Systems (oder ein ganz anderes System) verwendet werden. Dieser Vorschlag soll nur demonstrieren, wie ein vereinfachtes und trotzdem funktionierendes Gesamtsystem aussehen könnte.
1 Da das inklusivische Substantiv in der Regel eindeutig geschlechtsneutral markiert ist, gibt es nur einige wenige Fälle, in denen dies tatsächlich zu einer Verwechslungsgefahr führt. Diese sind auf dieser Seite aufgeführt. ↩